Rezension

Ein Schwindel in drei Kapiteln

Konzert ohne Dichter
von Klaus Modick

Ein Roman ist stets ein Werk, das der Kreativität, der Fantasie seines Autors entsprungen ist. Man darf also nicht fragen, ob es „wahr“. Das gilt auch für „Konzert ohne Dichter“ von Klaus Modick. Dennoch: Leider ist und bleibt dieses kluge, elegante, interessante und unterhaltsame Buch aus dem Jahr 2015 unter dem Strich nichts anderes als ein einziger ärgerlicher Schwindel in drei Kapiteln.

Worum geht’s in Modicks Roman? Das Buch spielt an drei Tagen, am 7., 8. und 9. Juni 1905, und erzählt die Geschichte einer fragilen Freundschaft und zweier Künstlerleben. Unsere beiden Helden heißen Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke. Vogeler war ein malendes Multitalent, ein gefeierter Märchenprinz des Jugendstils und gehörte zur ersten Generation der Künstlerkolonie Worpswede. Dorthin lockte er für einige Zeit auch seinen Freund, den (damals noch recht unbekannten) Dichter Rilke. Die drei Tage des Romans werden zum Wendepunkt in Vogelers Leben. Er reist über Bremen nach Oldenburg, wo er mit der Großen Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet wird. Nebenbei erzählt Modick in vielen Rückblenden die Vorgeschichte dieses triumphalen Erfolgs. Aus ihr erschließen sich die Klüfte und Brüche, aus ihr erklärt sich, warum der vermeintlich Höhepunkt eines Künstlerlebens dazu führt, dass Vogeler am Ende zu einer überraschenden Um- und Neuorientierung gelangt.

 

All dies ist großartig geschrieben und erzählt. Es gäbe also nichts zu meckern, wenn der ganze Roman nicht an einem Grundübel kranken würde: Alle wichtigen Fakten und Personen sind historisch belegt und bekannt. Zu diesen Fakten erfindet Modick – wie es nicht erst in den letzten Jahren Mode geworden ist – die Gedanken und Hintergedanken, die Gründe und Hintergründe dazu. Das Schlimmschöne am Füllen der Zwischenräume ist, dass Modick seine Arbeit so gut macht, dass man ihm beinahe alles glaubt, sogar den unglaublichsten Unsinn.

 

Etwa dass er Rilke zum absoluten Kotzbrocken, Schnorrer und Chauvinisten stilisiert, was aus zwei Gründen wirklich ärgerlich ist: Erstens, weil dies schlicht nicht stimmt, wie der Hamburger Germanist Bernd Stenzig in einem Buch verärgert kritisiert: Rilke und Vogeler seien grob falsch gezeichnet, historische Abläufe nicht korrekt dargestellt.

Zum Zweiten birgt Modicks Darstellung beider Helden das Problem, dass man schlicht nicht versteht, warum zwischen einem nervenden Vollhorst wie Rilke und dem netten, erfolgreichen und intelligenten Vogeler eine Freundschaft hätte entstehen sollen. Aber ohne deren Beginn und Zerfall macht natürlich dieses ganze Buch absolut keinen Sinn mehr! Leider!

 

Kommentare

Emswashed kommentierte am 08. September 2020 um 17:00

Ja, ja, so mancher Protagonist würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von seinen angeblichen Schandtaten und schlechten Charaktereigenschaften lesen könnte. Aber!, liebe Autoren und Autorinnen, fürchtet euch vor dem Jüngsten Gericht, wenn die Toten sich aus ihren Ruhestätten erheben.... ;-))