Rezension

Ein dichter und spannender Kriminalroman

Grado im Regen - Andrea Nagele

Grado im Regen
von Andrea Nagele

Bewertet mit 4.5 Sternen

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Grado im Regen: der Ort wirkt ein wenig deprimierend. Die Beschreibung der Adria in der Vorsaison, trist, regnerisch und grau ist wunderbar gelungen. Ich kenne den Ort nicht sehr gut, hatte aber fast das Gefühl, die Straßen und Lokale zu kennen.  Francesca lebt in der Ferienwohnung der zukünftigen Ex-Schwiegermutter. Sie hat ihren Mann verlassen, der sie unentwegt betrog. Sie fühlt sich kraftlos und schwach. Sie geht lange spazieren, trinkt manchmal zu viel und beobachtet öfters eine Schwimmerin, deren langes blondes Haar in den Wellen wogt.
Auch eine alte einsame Frau verbringt viel Zeit am Fenster und sieht die junge Schwimmerin. Sie ist es auch, die beobachtet, wie sie ertrinkt. Aber niemand glaubt ihr, ihr Beschreibungen sind wirr und driften ins Märchenhafte ab, wenn sie von einer Nixe spricht. Auch ist sie psychisch labil und man weiß von ihren Aufenthalten in der Psychiatrie.
Die junge Commissaria Maddalena lässt trotzdem nach einer Leiche suchen, vor allem als eine zweite Frau verschwindet und sie einen Zusammenhang vermutet. Dass die Vermisste die Frau ihres Lovers ist, macht die Situation für sie nicht einfacher.

Dieser Kriminalroman hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Ich bin gleich in die Stimmung eingetaucht, die die Autorin mit wenigen Sätzen skizziert. Es sind nur eine Handvoll Protagonisten, um die die Geschichte kreist, aber alle sind miteinander verstrickt. Die Personen sind sehr lebensnahe Charaktere, ich hatte wirklich das Gefühl über „echte“ Menschen zu lesen. Dabei war ich auch von der Tiefe der einzelnen Figuren angetan. Man lebt und leidet mit den Frauen mit. Der Roman  entwickelt einen richtigen Sog, es war aber nicht nur der Krimihandlung geschuldet, die sich nicht auf das  Schema: Mord – Ermittlung – Täter  eingrenzen lässt, sondern viel mehr aus der schicksalshaften Verstrickung der Figuren untereinander.  Das ist bis hin zu den Nebenfiguren sehr stimmig. Die Grenzen zwischen Krimi und Familien-Liebesgeschichte sind fließend und erreichen fast die Intensität eines Dramas.

Das Ende, das gleichzeitig eine neue Spur und ein neues Drama andeutet, könnte auf eine Fortsetzung hindeuten.
Ein sehr gelungenes Buch, das für mich weit über das Genre „Regionalkrimi“ hinausgeht.