Rezension

Die Josephsgeschichte aus islamischer Sicht

Sonne, Mond und elf Sterne -

Sonne, Mond und elf Sterne
von Melike Yasar

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wenn man wertvoll ist für den Schöpfer, erregt man den Neid des Teufels...“

 

Neid war die Triebfeder, die die Brüder veranlasst, sich an Yusuf zu vergreifen und den eigenen Vater zu belügen. Die Autorin erzählt die Josephsgeschichte aus der Bibel aus islamischer Sicht. Ich fand es spannend, die Unterschiede zwischen beiden Versionen kennenzulernen.

Im Unterschied zur biblischen Darstellung erzählt das vorliegende Buch nicht nur den Aufstieg des Yusuf vom Sklaven zum Wesir, sondern gleichzeitig eine Liebesgeschichte. Raila, der Frau des Potifar, kommt dabei eine besondere Rolle zu.

 

„...Railas Liebe ist wie die eines Löwen zu seiner Beute. Die Liebe ist heilig. Sie wohnt nicht in einem unreinen Herzen...“

 

Besser kann man es kaum ausdrücken.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er arbeitet viel mit Metaphern und märchenhaften Bildern. Eine Spur Mystik gehört ebenfalls ins Geschehen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Sie gelten die folgenden Zeilen Yusufs Brüdern:

 

„...Aus ihren Herzen sprach die Wut, aus ihren Augen die Verachtung und aus ihren Stimmen der Hass...“

 

Allerdings gibt es gravierende Unterschiede zwischen ihnen. Einer wird der Zornige genant, ein anderer der Sanftmütige.

 

In einer seiner schwersten Stunden bekommt Yusuf eine Nachricht:

 

„...Du bist das Samenkorn, das im Verborgenen wächst und mit Geduld darauf wartet, zu sprießen...“

 

Auch hier zeigt sich der poetische Schriftstil des Orients. Ein letztes Beispiel gilt der Beschreibung des Nachthimmels:

 

„...Die Sterne schimmerten wie Edelsteine, wie auf schwarzer Seide geschüttelt...“

 

Die Grundstruktur der Geschichte folgt dem biblischen Vorbild. Zu den Unterschieden möchte ich mich nicht weiter äußern. Die möge der künftige Leser selbst herausfinden.

Wichtig sind die Botschaften, die das Buch vermittelt. Yusuf hat nicht nur an den EINEN GOTT geglaubt, er hat diesen Glauben gelebt – mit aller Konsequenzen. Er hat sich nicht von den steinernen Göttern Ägyptens verführen lassen. Diese Kraft, die aus dem Glauben kam, haben seine Mitmenschen als wohltuend empfunden. Er galt als gesegnet. Einer seiner Sätze sollte uns auch heute zu denken geben:

 

„...Mein Herr hat mich nicht zum Hassen geschaffen...“

 

Natürlich geht es auch um menschliche Schwächen: Neid, Wut, Eifersucht, Missgunst.

Im Nachwort werden ein paar Zusammenhänge ergänzt und manche Frage, die beim Lesen kommt, beantwortet.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Mit einem Zitat, das sich wie ein Sprichwort anhört, möchte ich meine Rezension beenden:

 

„….Sprich deine Geheimnisse in den Wind, aber mach ihm keinen Vorwurf, wenn er sie den Bäumen weitererzählt...“