Rezension

Der zweite Band der Reihe um Dr. Otto Sanftleben konnte mich noch mehr überzeugen als sein Vorgänger.

Mord im Tiergarten - Tim Pieper

Mord im Tiergarten
von Tim Pieper

Bewertet mit 4.5 Sternen

Berlin im Juni 1896. Als ein jüdischer Zeitungsunternehmer im Zoologischen Garten Opfer eines Ritualmordes wird, gerät Kriminologe Dr. Otto Sanftleben in einen Sumpf aus Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus. Seine Ermittlungen führen ihn in die Welt der Deutschen Colonialausstellung, wo er auf einen jungen Herero-Prinzen aus Deutsch-Südwestafrika trifft. Welchen Plan verfolgt der wahnsinnige Mörder, und wer wird sein nächstes Opfer sein?

Tim Piepers zweiter Roman um den Kriminologen Dr. Otto Sanftleben führt uns wieder ins Berlin zur Kaiserzeit, genauer: ins Jahr 1896.

Es ist die Zeit der Berliner Gewerbeausstellung, zu der Tausende von Menschen in die Stadt strömen. In diesem Tumult beginnt eine Reihe von Ritualmorden, die auf einen deutlichen antisemitischen Hintergrund hinweisen. Dr. Otto Sanftleben wird erneut von Commissarius Funke gebeten, bei den polizeilichen Ermittlungen behilflich zu sein. Mit seiner Methode, während des Verhörs auf die Körpersprache des Verdächtigen zu achten und entsprechend darauf zu reagieren, erhofft sich die Polizei eine erfolgversprechende Unterstützung bei der Jagd nach dem Mörder.
Und schon gerät Otto in einen Sumpf aus Antisemitismus, Wahnsinn und Vorurteilen. Ritualopfer zu Gunsten Odins, des Gottes der nordischen Mythologie, begangen von einem Täter, der, befallen von Syphilis im fortgeschrittenen Stadium, nichts mehr zu verlieren hat. Doch alle Spuren scheinen in die Irre zu führen...

Der zweite Band der Reihe um Dr. Otto Sanftleben konnte mich noch mehr überzeugen als sein Vorgänger. War ich beim letzten Mal noch eher der Meinung, der Kriminologe habe den Fall mehr mit Glück als mit Verstand gelöst, erschließt sich hier nun alles logisch und nachvollziehbar. Dabei zeigt sich wieder Tim Piepers akribische Recherchearbeit, durch die sich der Hintergrund der damaligen Zeit wie ein Bilderreigen vor den Augen des Lesers eröffnet. Dies bezieht sich zum einen auf die antisemitische Haltung, die sich bereits damals in der Bevölkerung breitgemacht hatte und in manchen Gruppierungen erschreckende Ausmaße annahm, zum anderen aber auch auf liebevoll eingestreute Details, die ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit entstehen lassen.
Die wechselnden Szenen in Ort und Personen greifen passend ineinander, und neben dem Fall an sich sind es gerade die "Nebengeschichten", die Spaß machen zu lesen. Sei es Ottos Privatleben, in das sich womöglich doch noch eine Frau schleicht, sei es sein Leibdiener und Ziehsohn Moses, der es als Herero nicht leicht hat, in der Gesellschaft Fuß zu fassen oder sei es auch Commissarius Funke, der bunte Vogel des "dritten Geschlechts", der wegen seiner natürlich versteckt gehaltenen homoerotischen Neigungen nun gar erpresst wird...

Ich mag Historische Romane, wenn sie wie nebenher wissenswerte geschichtliche Hintergründe wohldosiert vermitteln und dabei in eine spannende und lesenswerte Geschichte eingebettet sind. Wenn sie dabei erkennen lassen, wie sorgfältig recherchiert wurde und die Personen einem anfangen ans Herz zu wachsen, dann bin sogar ich von einem Historischen Roman sehr angetan...
Tim Pieper hat hier also alles richtig gemacht, und ich freue mich schon auf den dritten Fall des Kriminologen Dr. Otto Sanftleben!

Vielen Dank dafür, dass ich das Buch lesen durfte - und ebenfalls ein herzliches Dankeschön für die lebendige Leserunde, die angenehm durch den Autor begleitet wurde!

© Parden

 

Und hier wieder die bebilderte Version in unserem Blog:

http://www.litterae-artesque.blogspot.de/2013/10/pieper-tim-mord-im-tier...