Rezension

Alle nur Menschen

Mord im Tiergarten - Tim Pieper

Mord im Tiergarten
von Tim Pieper

Bewertet mit 4.5 Sternen

Einige Jahre sind vergangen. Dr. Otto Sanftleben hat sein Leben in Berlin wieder aufgenommen. Auch im Jahr 1896 hilft er der Polizei mit seiner Erfahrung als Kriminologe gelegentlich bei ihren Ermittlungen. Inzwischen über vierzig ist er etwas träge geworden, doch das alte Feuer lodert noch in ihm. Als im Zoologischen Garten ein Toter aufgefunden wird, der einem Ritualmord zum Opfer gefallen zu sein scheint, wendet sich der Commissarius Funke an Dr. Sanftleben. Der Tote gehörte dem jüdischen Glauben an und die ganzen Umstände der Tat erwecken den Eindruck, es könne sich nur um eine antisemitische Tat handeln. Bei seinen Ermittlungen muss Dr. Sanftleben feststellen, dass der Antisemitismus bereits sehr um sich greift und mehr Personen in Verdacht geraten als es zu vermuten gewesen wäre.

 

Woher kommt der Rassismus wie er hier geschildert wird? Wie kann er überhaupt entstehen oder immer noch in den Köpfen der Menschen sein, wenn nach neueren Erkenntnissen die Bezeichnung unrichtig ist und es keine so großen genetischen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Menschen gibt, die eine Trennung nach irgendwelchen Begriffen überhaupt rechtfertigen würden. Dieser Frage nähert sich der Autor mit diesem spannenden historischen Kriminalroman. Gerade in der Zeit, in der der Roman angesiedelt ist, scheint sich der Antisemitismus auszubreiten. Und auch rassistisches Gedankengut setzt sich in den Köpfen der selbsternannten Herrenmenschen fest. Von Vorurteilen gespeist, durch an den Haaren herbei gezogene Beweise für die Unterschiedlichkeit der Menschen gestärkt, werden Menschen zu Sündenböcken für alle Unbill. Wie leicht ist es, die Schuld den vermeintlich anderen in die Schuhe zu schieben. Wie schnell kommt den besonders Verborten da der Gedanke, die anderen seien zu bestrafen und auszumerzen. Und in dieser Umgebung müssen Commissarius Funke und Dr. Sanftleben nach dem Täter suchen. Auf lehrreiche Art führt der Autor seine Leser durch das Berlin der Kaiserzeit und lässt ihn zum einen mit Schaudern an diesem perfiden Gedanken teilhaben, zum anderen kommt glücklicherweise auch freudigere Ereignisse wie zum Beispiel die Wiederbegegnung Dr. Sanftlebens mit seiner Jugendfreundin Igraine Raab nicht zu kurz. Eine sehr gelungene Mischung zwischen der beklemmenden Darstellung der Sicht der einen auf die vermeintlich anderen und einem spannenden Kriminalfall. Dr. Otto Sanftleben erweist sich auch in seinem zweiten Fall als sympathischer Ermittler mit einigen Schrulligkeiten, die ihn ausgesprochen authentisch wirken lassen.