Rezension

Beeindruckender historischer Roman

Die Ratsherrentochter - Petra Waldherr

Die Ratsherrentochter
von Petra Waldherr

Bewertet mit 5 Sternen

Annas Vater ist seit einem Jahr tot. Ihre Mutter hat den Wympfener Ratsherrn Steffen Brel geheiratet. Nun ist die Familie auf den Weg in die neue Heimat. Anna traut ihrem Stiefvater nicht. An der Fähre treffen sie einen jungen Mann. Michael ist der Sohn des Henkers, hat in verschiedenen Städten das Handwerk des Vaters gelernt und sein Meisterstück gemacht. Jetzt kehrt er nach Hause zurück. Es ist höchste Zeit, denn sein Vater liegt im Sterben. Es scheint, als habe er nur auf die Rückkehr des Sohnes gewartet. Wilhelm, der Schwiegersohn, hat noch nicht sein Meisterstück als Scharfrichter gemacht. So ermöglicht Michaels Erscheinen der Familie, in der Heimat bleiben zu können.

Die Autorin ließ auf beeindruckende Weise die Welt des Jahres 1523 in Wymphen und Umgebung vor meinen Augen lebendig werden.

Sie hat interessante Protagonisten kreiert. Dazu möchte ich aber gar nicht viel sagen. Ihre Stärken und Schwächen erschließen sich beim Lesen des Buches. Beeindruckend ist auch der Gegensatz zwischen dem Leben der Scharfrichterfamilie und den bürgerlichen Haushalten. Scharfrichter galten als Unehrliche. In der Familie aber wurde ein liebevoller Umgang gepflegt. Greta, Michaels Schwester, war der gute Geist. Ihre Kräuterkenntnisse besserten das Einkommen der Familie auf. Sie kümmerte sich um die kleinen und großen Wehwehchen, konnte aber durchaus Michael ihre Meinung sagen, wenn sie es für richtig hielt. Die kleine Lisbet, ihre Tochter, zeichnet sich durch Wissbegierde und Mitgefühl aus. Die schöne Fassade der Bürgerhäuser dagegen verdeckte, was an Übel und Gewalt hinter ihrer Mauer geschah.

Das Buch ließ sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Dazu beigetragen hat die vielschichtige Handlung, aber auch die Vielzahl an Informationen über die Zeitverhältnisse. Nicht nur die Tätigkeit des Scharfrichters, auch die Arbeit des Küfers, das Fastnachttreiben und Gerichtsverhandlungen auf der nahe gelegenen Burg waren einige der Themen der Geschichte.

Der Schriftstil entspricht zwar in großen Teilen den heutigen Gewohnheiten, doch es wurden auch Begriffe der damaligen Zeit mit einfließen lassen. Eine detailgenaue Beschreibung von Geschehnissen und Abläufen, die Verwendung treffender Metapher, die gekonnte Wiedergabe von Gefühlen machten das Lesen zum Vergnügen.

Der Spannungsbogen war von Anfang an hoch und steigerte sich weiter. Das lag nicht nur an der äußeren Handlung, sondern auch an der Auslotung der Psyche der Protagonisten und an den widersprüchlichen Beziehungen der handelnden Personen. Als Leser wurde ich auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen geschickt.

In der großen Geschichte um Anna und Michael stecken viele kleine Geschichten, die den Blick auf die Zeitverhältnisse und die Lebensumstände weiten. Der Roman zeugt von einer umfangreichen Recherche der Autorin. Dadurch bekommt er eine besondere Authentizität.

Das Buch wird ergänzt durch ein Quellenverzeichnis, eine Personenliste und ein Begriffsregister. In der Personenlist wird genau aufgeschlüsselt, wer wann urkundlich erwähnt ist und wer der Phantasie der Autorin entsprungen ist.

Das Cover mit der reichgekleideten Frau passt perfekt zum Titel. Warum das Porträt erst unterhalb des Kopfes beginnt, erschließt sich beim Lesen des Buches.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Das lag nicht nur an der abwechslungsreichen Handlung, sondern dazu habe viel Kleinigkeiten in der Geschichte beigetragen. Nicht zuletzt habe ich einiges über das Leben im Jahre 1523 dazugelernt.

Kommentare

Janine2610 kommentierte am 04. September 2014 um 21:16

Ich liebe historische Romane. - Vor allem, wenn sie authentisch, sprich gut recherchiert sind. Wenn dann auch noch die Sprache passt, bin ich so gut wie verliebt! ;-)