Rezension

Am Puls der Zeit und spannend sowieso; der Altmeister legt vor

Empfindliche Wahrheit - John Le Carré

Empfindliche Wahrheit
von John Le Carré

Bewertet mit 4 Sternen

Eine empfindliche Wahrheit ist eine, die du vielleicht als wichtig einschätzt, deren Bekanntmachung allerdings nicht unbedingt alle gut finden. Vor diesem Problem stand kürzlich Edward Snowden, vor diesem Problem stehen auch die Charaktere in John Le Carrés neuestem Buch.

Paul nimmt an einer Operation des britischen Geheimdienstes in der Kolonie Gibraltar teil. Durchgeführt von einem recht dubiosen Militärdienstleister namens Ethical Outcomes. Paul ist im Grunde nur der Kontaktmann des Ministers, die Drecksarbeit erledigen die Soldaten/ Söldner.
Ein Terrorist soll festgesetzt werden, allerdings sind die Indizien und die Situation vor Ort mehr als fragwürdig. Trotz negativer Einschätzung seitens der ausführenden Soldaten und Paul, gibt der Minister den Einsatzbefehl. Paul wird kurz darauf weggebracht und kann sich kein eigenes Bild vom Aussgang der Operation machen. Ihm wird lediglich mitgeteilt, dass sie zur vollsten Zufriedenheit aller verlaufen ist.

Im zweiten Erzählstrang geht es um Toby Bell, den Assistenten des Ministers, der die Operation in Gibraltar initiiert hat. Wir erfahren die Vorgeschichte der Operation.
Toby wurde von anderer Stelle zum Minister versetzt und möchte nun möglichst viel über diesen erfahren. Bald stößt er auf Ungereimtheiten und geheime Treffen. In einer Ad-Hoc-Aktion zeichnet er eines dieser geheimen Treffen auf und gerät so an Informationen von brisantem Inhalt. Sein väterlicher Mentor, eine Art graue Eminenz und Strippenzieher im Außenministerium kann ihm dabei auch nicht helfen. Man ahnt, dass selbst ihm die Sache zu heiß ist.

Als nun drei Jahre später einer der Soldaten Kontakt zu Paul aufnimmt, gerät die Sache ins Rutschen. Paul versucht den wirklichen Ablauf der Operation heraus zu finden und kommt so auch an Toby Bell.

Es beginnt ein Wettlauf der beiden gegen die Obrigkeit (oder die, die sich dafür halten). Werden Sie die Dokumente veröffentlichen, oder siegen die Vertreter der Staatsmacht und können den Skandal verhindern?!

Hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Information, oder gibt es Dinge, die besser hinter verschlossener Tür bleiben? Findet nicht all dies in unserem Namen und mit unseren Geldern statt? In erster Linie zu unserem Schutz? Oder wirtschaften da Menschen in Parallelhierarchien auf eigene Faust und in die eigene Tasche.

Der Meister des Spionagethrillers hat hier wieder ein heißes aktuelles Thema aufgegriffen – und dabei ist die Originalausgabe des Buches noch vor den Snowden-Enthüllungen erschienen – und es ist ihm auch gelungen, daraus einen überaus spannenden Roman zu machen. Lange bleibt offen, wer denn nun mit wem in Bezug steht und wer am Ende die Fäden zieht, oder ziehen lässt.
Vor dem aktuellen Hintergrund liest man so einen Text dann natürlich ganz anders. Das macht ihn aber auch umso einiges interessanter.
Und spannend schreiben kann Le Carré ja ohne Frage. So bleibt nur zu sagen: wieder einen neuen Autoren für mich entdeckt, denn dies war mein erster Le Carré (zumindest in Buchform, einige von den Verfilmungen habe ich schon gesehen), aber gewiss nicht mein letzter! Ganz so, wie kürzlich bei Robert Harris, der sich ja im Grunde mit dem gleichen Thema auseinandersetzt.