Rezension

Zu viel gewollt?

Der Vertraute -

Der Vertraute
von Leigh Bardugo

Bewertet mit 3 Sternen

Ich schätze Leigh Bardugos Erzählkunst und ihren Einfallsreichtum. In letzter Zeit haderte ich allerdings öfter mit der Weitschweifigkeit ihrer Bücher. Ihr aktuelles Werk ist ein Einzelband und deshalb hoffte ich auf mehr Dichte.

„Der Vertraute“ wird als magische Liebesgeschichte während Spaniens Goldenen Zeitalters beschrieben. Soweit ist die Charakterisierung auch treffend. Von Dichte sind wir aber wieder weit entfernt. Seltsam distanziert liest sich das Buch. Im Mittelpunkt steht das Küchenmädchen Luzia, die über magische Kräfte verfügt, diese aber nur für kleine „milagritos“ einsetzt. Eine versalzene Suppe oder ein verbranntes Brot wieder essbar machen? Für Luzia kein Problem. Trotzdem hält sie ihre Kräfte geheim, ebenso wie ihre jüdischen Wurzeln. Beides kann ihr zum Verhängnis werden. Denn die Inquisition ist grausam und unerbittlich. Als ihre Herrin Valentina ihr auf die Schliche kommt und Luzias Magie zur Verbesserung des eigenen gesellschaftlichen Standes nutzen will, wird Antonio Perez, der beim König in Ungnade gefallen ist, auf sie aufmerksam. Auch er will Luzias Magie zu seinem Vorteil einsetzen. Er richtet ein magisches Turnier aus, bei dem sich Luzia beweisen soll. Der mysteriöse Santágel ist ihr dabei behilflich.

Anhand der Beschreibung hatte ich eine Art magische Hunger Games erwartet. Bekommen habe ich feministisch-historische Fantasy. Leigh Bardugo beschreibt eindrücklich die Lebensmuster verschiedener Frauen in der patriarchalischen Ständegesellschaft. Sie lässt uns durch wechselnde Perspektiven Gefühle der Machtlosigkeit, Demütigung und Enge empfinden. Wir lesen von Luzias Tante Hyalit, die als Geliebte eines reichen Gönners einen gewissen Lebensstandard hält und von Luzias Herrin Valentina, deren Lebensinhalt die Zufriedenstellung ihres Mannes ist. Luzia selbst ist zu Beginn ein unsichtbares Nichts, eine Küchenmagd, die auf dem Boden schläft und keinerlei Perspektiven hat.

Knapp 450 Seiten lang begleiten wir Luzia – vom einfachen Küchenmädchen zu einer jungen Frau, die inmitten von Ränkespielen, Begehrlichkeiten und der immer präsenten Angst vor der Inquisition ihren Weg sucht und die erste Liebe erlebt. Die Magie bleibt dabei ein großer, aber bis zuletzt nicht vollends verstandener Teil der Geschichte. Woher die Kräfte kommen, wo ihre Möglichkeiten und Grenzen sind, wird von Luzia eher intuitiv erfasst und somit auch von uns Leserinnen und Lesern nicht ganz begriffen.

Ich habe länger an diesem Buch gelesen als erwartet und meine, es war vielleicht ein wenig zuviel gewollt. Durch die vielen Personen, deren Schicksal behandelt wird, habe ich zu Luzia als Hauptfigur nicht den erhofften Draht gefunden.

Großes Augenmerk wird auf das intrigante Machtstreben der Oberschicht gelegt und anhand verschiedener männlicher Protagonisten aufgezeigt – etwa Antonio Perez, der als reale Person Pate für die Geschichte gestanden hat, aber nur selten in Erscheinung tritt und blass und ungreifbar bleibt, wie eigentlich das gesamte Buchpersonal.

Auch das magische Turnier entwickelte sich nicht ganz wie gedacht. Drei Prüfungen waren jeweils schnell beendet und ich empfand sie nicht als besonders ungewöhnlich oder raffiniert. Insofern mangelte es leider an Spannung, die ich von einem Fantasy-Buch aber erwarte.

Und die Liebesgeschichte? Durchaus prickelnd, jedoch wenig überraschend, eher routiniert abgewickelt.

Fazit: Eloquent geschriebene, historische Fantasy, die uns die Härte der Inquisition und das Leben von Frauen in der patriarchalischen Gesellschaft vor Augen führt. Durch viele Themen und Figuren fühlte sich das Buch für mich teilweise überladen und distanziert an.