Rezension

Wie die Gummibärchen: für Kinder UND Erwachsene

Pünktchen und Anton - Erich Kästner

Pünktchen und Anton
von Erich Kästner

Bewertet mit 4 Sternen

"Pünktchen und Anton" handelt von einem Kinderprotagonistenpaar, die aus nicht gegensätzlicheren Verhältnissen stammen könnte. Da ist Pünktchen aus reichen Familien, deren einzige Spielkameraden ihr Kindermächen und ihr Hund ist und da ist Anton, dessen alleinerziehende Mutter nach einer OP ans Bett gefesselt ist, wodurch Anton kochen, Hausaufgaben machen und Geld verdienen muss. Aber die beiden verstehen sich auf Anhieb und nehmen auf das Leben des anderen mehr Einfluss als man denken mag!

Zuletzt als Kind gelesen, für die Uni nun noch einmal ausgepackt. Und ich schließe die herrlich freche Pünktchen und den viel zu früh erwachsen gewordenen Anton immer noch ins Herz. Zwar betont Kästner selbst mehrfach, dass es sich wohl um eine Geschichte für Jungs handelt und dass Anton und Emil (aus "Emil und die Detektive") Vorbilder sind, denen man nacheifern kann. Dennoch ist meine Heldin Pünktchen. Pünktchen verhält sich allen sozialen Faktoren zum Trotz absolut vorurteilsfrei, schließt jeden ins Herz und verliert dennoch Recht und Ungerechtigkeit nicht aus den Augen. Ihre freche und selbstbewusste Art ist sehr unterhaltsam und ich finde, dass gerade sie für das Erscheinungsjahr dieses Kinderbuchs sehr emanzipiert ist.

Natürlich ist auch Anton eine tolle Figur. Die Verantwortung, die er für seine Mutter und sich ohne zu murren übernimmt, das ist beachtenswert und dennoch fehlt ihm dieses kindlich unbedarfte und macht dann eben deutlich, was Armut in der Kindheit für Folgen hat. Dennoch ist er in Herzensgüte und Fleiß einer, den die Jungs von heute durchaus als Vorbild nehmen können.

Lustigerweise konnte ich mich an die moralischen Zwischenkapitel - von Kästner eingefügt - nicht mehr erinnern, also ist genau das passiert, was Kästner den Kindern vorschlägt. An dieser Stelle wird deutlich, dass diese Zwischenkapitel auch eher an die Erwachsenen gerichtet sind und gehörig Gesellschaftskritik üben. Das kann und muss man durchaus kritisch sehen. Hier wird viel bewusst gesteuert und bemängelt, viele Themen, bei denen sich der ein oder andere ertappt fühlen könnte. Haben solche Moralkeulen etwas in einem Kinderbuch zu suchen? Mit Erschrecken stellt man zwar fest, wie sehr all diese angerissenen Themen noch Aktualität haben, aber die Kinder, die eigentliche Zielgruppe, hat dafür noch kein Verständnis, so dass diese Zwischenkapitel etwas fehl am Platze sind.

Aber gerade die Aktualität, die liebenvolle Figuren und die charmant-witzige Handlung machen dieses Kinderbuch zu einem Erlebnis für Jedermann. Und ich kann garantieren, dass man als Erwachsener einen ganz anderen Blick für die Geschichte entwickelt und dennoch nicht enttäuscht wird.