Rezension

Was Kühe verändern können

Milchmädchen - G. R. Gemin

Milchmädchen
von G. R. Gemin

Bewertet mit 5 Sternen

Klappentext: Zwölf Kühe mitten in einem schäbigen walisischen Wohngebiet verstecken? Das bleibt doch niemals unbemerkt! Aber Gemmas Leben ist sowieso total durcheinander – ihr Vater ist im Knast, die Mutter abgekämpft und der kleine Bruder nervt einfach nur. Und wie sie sich mit der komischen, starken Außenseiterin Kate angefreundet hat, weiß sie eigentlich selbst nicht. Aber Kate braucht Gemmas Hilfe, damit ihre Kühe nicht verkauft werden müssen. Gemmas Nachbarn kümmern sich normalerweise nicht so um andere Leute – geschweige denn um Tiere. Doch nun stehen dicke, muhende, Gras fressende Kühe in ihren Gärten. Und setzen einiges in Bewegung!

Meine Meinung zum Buch: Gemma steckt momentan in einer kleinen Krise. Ihr Vater ist im Gefängnis und ihre Mutter total überfordert. Emma ist verzweifelt auf der Suche nach dem Familienglück einer fast schon vergessenen Zeit oder flüchtet zu ihrer Oma in den Kern des Dörfchens Bryn Mawr, der aber auch nicht mehr das ist, was er einmal war. Die Kriminalitätsrate ist gestiegen, besonders unter den Jugendlichen und Gemmas Freunde und auch ihr Bruder sind daran nicht ganz unschuldig. Dann lernt Gemma ihre Klassenkameradin Kate besser kennen, die von allen geärgert und Cowgirl genannt wird. Zwischen ihnen entwickelt sich ganz vorsichtig eine ungewöhnliche Mädchenfreundschaft, die gestärkt wird, als Kates Kühe verkauft werden sollen.

Auf Verzweiflung bringen sie Jane, Kates Lieblingskuh zu Gemmas Oma, die sich fortan rührend um sie kümmert und anfängt, aus Janes Milch Käse, Sahne etc. herzustellen. Das ganze Dorf ist plötzlich interessiert und so gelingt es Kate, auch für die anderen 11 Kühe „Kuhpaten“ zu finden. Die Kühe haben einen positiven Einfluss auf das Dorf und die Kriminalität geht zurück. Bis Kates Vater bemerkt, dass seine Kühe fehlen.

Die Geschichte hinter Milchmädchen ist so süß und schlicht und gleichzeitig so kurz, dass man schnell mal die Zeit vergisst und den ganzen Abend durchliest. So habe ich es gemacht, denn ich wollte meine Seiten nicht mehr von dem lösen, was da gerade passierte. So ein Feingefühl für ihre Figuren kann nur eine Frau haben. Das wurde fast schon Jane Austen gerecht und ich fragte mich tatsächlich nie, welcher Name sich wohl unter dem Kürzel G.R. verbarg. Generell schaue ich mich Autorenprofile meist erst am Ende des Buches an und verschwende vorher nicht viel Interesse an diesem. Und dann, nach dem Lesen traf mich der Schock: Hinter dem Namen G.R. Gemin verbirgt sich keine Frau sondern Giancarlo. Ein Mann. Ein Autor. Der Schock war allerdings durchaus positiv, denn ich war erstaunt über das Feingefühl und hoffe, dass es nicht bei Milchmädchen als einzigem Buch des Autors bleibt.

Die Protagonistin: Gemma ist eine der jüngsten Protagonistinnen des aktuellen Programms. Sie ist gerade mal vierzehn Jahre alt, was mir aber sehr gut gefallen hat. Der Grund dafür ist, dass man eine Entwicklung sehen bzw. lesen kann, die gerade Jugendliche in ihrem Alter durchmachen und die man bei Protagonistinnen im Alter von 17-20 Jahren weniger beobachten kann. Sie lebt in einer sehr ärmlichen Gegend, die ihre Blütezeit hinter sich hatte. Die Kriminalitätsrate ist hoch und auch Gemma hat Freundinnen, die nicht so ganz ohne sind. Was Gemma aber am wichtigsten ist, das ist die Beziehung zu ihrer Oma, die in einem älteren Teil von Bryn Mawr wohnt und die sich zusammen mit den anderen älteren Bewohnern über die viele Kriminalität beschwert. Ihre Oma hat einen starken Einfluss auf Gemma und so freundet sie sich mit Kate an. Kate, von allen nur Cowgirl genannt, lebt auf einem Bauernhof und wird von ihren Mitschülern gehänselt. Doch dann passiert es: Gemma stellt sich auf Kates Seite, wird ihre Freundin und versucht mit ihr nicht nur Kates Kühe zu retten, sondern auch das ganze Dorf. Gemma macht hierbei eine große Entwicklung durch. Sie schließt nicht länger aus, macht keinen Unterschied zwischen ihren Mitschülern und fängt an, sich gegen „das Böse“ zu stellen, was sie eine Menge Kraft kostet. Diese Entwicklung ist gewaltig und sie verdient von mir allen Respekt. Genau deshalb konnte ich das junge Mädchen nicht zu Beginn, wohl aber im Verlaufe des Buches sehr ins Herz schließen.

Die Thematik: Worum geht es eigentlich in Milchmädchen? Die Geschichte ist so einfach gestrickt und dennoch so gewaltig. Erst einmal geht es im Bezug zu Gemma und Kate um den Abbau von Vorurteilen und um eine ganze Menge Mut. Die braucht Gemma, um sich auf Kates Seite zu stellen und somit gegen die anderen Mädchen. Darüber hinaus ist die Geschichte vor allem eins: Kreativ. Denn um die Kühe zu retten braucht es Mut ebenso, wie eine kreative Problemlösung und damit stellen sie sogar das ganze Dorf auf den Kopf. Milchmädchen erzählt von einer ungewöhnlichen Mädchenfreundschaft und den Mut Dinge zu ändern.

Wieso dieses Buch ein Königskinder Buch ist: Hinter den wenigen Seiten und einer recht einfach gestrickten Geschichte verbirgt sich so viel Feinfühligkeit und Stärke, wie man es auf den ersten Blick nicht erwartet hätte. Milchmädchen erzählt von einem stetig stärker werdenden Mädchen und einer ungewöhnlichen Freundschaft und macht so dem Namen Königskinder alle Ehre.

Wieso es nicht in eurem Regal fehlen sollte: Milchmädchen sieht durch die tollen Farben und das liebevoll gestaltete Äußere einfach schon perfekt aus und sollte so schon in eurem Regal zu finden sein. Darüber hinaus sollten nicht nur Jugendliche sondern auch Erwachsene jeden Alters häufiger darauf hingewiesen werden, das anders sein nichts Schlechtes ist und jeder Mensch von Anfang an wertvoll ist.

Fazit: Obwohl Milchmädchen ganz schlicht ist, überzeugt es durch die starken Beziehungen der Charaktere im Buch und seine eindrucksvolle Botschaft. Selten habe ich bei einem Autoren so viel Feingefühl entdeckt, wie bei Giancarlo R. Gemin und genau dieses macht einen großen Reiz des Buches aus. Er erzählt uns, wie wichtig es ist, gegen Vorurteile anzukämpfen und dass wir unser Leben selbst in der Hand haben und wir es jederzeit ändern können.

Über den Autoren: Giancarlo R. Gemin wurde als Sohn italienischer Eltern in Cardiff in Wales geboren. „Milchmädchen“ ist sein erstes Buch und hat schon zahlreiche Preise bekommen. Wenn er nicht schreibt, hört G.R. Gemin gern Musik, von Jimmy Smith bis Giuseppe Verdi. Der Autor lebt in London.