Rezension

Very british!

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft - Helen Simonson

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
von Helen Simonson

Was ist eigentlich so unpassend daran, dass Mrs. Ali eine gute Tasse Tee ebenso liebt wie ein gutes Buch? Und das ihr Lieblingsautor ausgerechnet Kipling ist?  Eigentlich nichts, möchte man meinen, aber wenn sie diesen Leidenschaften nicht alleine frönt, sondern dies immer häufiger in der Gegenwart des alten Major Pettigrew tut, dann nehmen schon eine ganze Reihe Dritter Anstoß daran.

Major Ernest Pettigrew, ehemals Angehöriger der britischen Armee hat vor sechs Jahren seine Frau verloren, seither lebt er im Dörfchen Edgecombe ein zurückgezogenes und den gesellschaftliche Traditionen verhaftetes Leben. Jetzt ist auch noch sein jüngerer Bruder Bertie verstorben und der Major hat außer seinem Sohn Roger keine weiteren Angehörigen mehr. Die Situation setzt ihm sehr zu und so passiert es, als er sich im Dorfladen neue Vorräte, insbesondere auch Tee, besorgt, dass er Mrs. Ali bei einem kleinen Schwächeanfall beinahe in die Arme fällt.

Mrs. Ali, etwas jünger als der Major, ist ebenfalls verwitwet und führt seit dem Tode ihres Mannes den Dorfladen allein. Daran nimmt das Dorf wenig Anstoß, Mrs. Alis Familie aber schon. Denn – Mrs. Jasmina Ali ist Pakistani und somit geduldet, solange sie von den Einheimischen zu den dienstbaren Geistern gezählt werden darf. 

Das aber ändert sich schlagartig, als die beiden sich immer öfter bei einer guten Tasse Tee und geistreichen Gesprächen über Kipling treffen. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und den sie umgebenden Konventionen tappt insbesondere der Major immer öfter in gesellschaftliche Fettnäpfchen. Aber – der Druck von außen wird schließlich so groß, dass sich die beiden aus den Augen verlieren.

Seite um Seite fiebert man beim Lesen dem Happyend entgegen, dass doch irgendwann kommen muss, oder? Doch bevor es nach einer „gewissen Form der Entführung“ zu einer endgütigen Entscheidung kommt, vermittelt die Autorin uns eine Seite um Seite ansteigende Spannung, die sich in einer Szene an der Steilküste, es geht um Leben und Tod, endlich entlädt.

Wer jetzt meint, damit den Inhalt des Buches zu kennen, irrt gewaltig. Bis zum spannenden Ende schenkt uns dieser Roman in unzähligen kleinen und alltäglichen Begebenheiten das Gefühl, mittendrin zu sein. Man möchte abwechselnd den Major und dann wieder Mrs. Ali schütteln und sagen: „Nun wacht doch endlich auf“. Erzählt wird uns diese Geschichte auf eine unnachahmliche Art, durchsetzt mit trockenem Humor der Extraklasse und in jeder Zeile „very british“.

Ein wunderbares und sehr geistreiches Lesevergnügen.

Kommentare

Britta Röder kommentierte am 16. März 2014 um 19:05

Spannend geschrieben. Ich möchte am liebsten sofort loslesen!

parden kommentierte am 17. März 2014 um 06:36

Ich fand es auch als Hörbuch überaus gelungen! Ein wirklich schönes Buch... :)