Rezension

„Verwehre dir nicht die Dinge, die dich glücklich machen. Niemals.“

Melodie der Asche -

Melodie der Asche
von Elya Adair

 

Als Spion in den Reihen eines grausamen Regiems kämpft Laudan, Sohn des Feldherren, für seinen Traum von Freiheit, den Caliyan, der mächtigste Magier aller Zeiten, schon längst aufgegeben hat - er strebt nach Rache, für das, was ihm genommen wurde. Bei dem Versuch, die Rebellion vor der Vernichtung zu bewahren, trifft Laudan auf Vaelen, einen Fischer ohne Erinnerungen. Ihre Schicksale sind durch eine Melodie miteinander verwoben. Doch welche Chance hat ihre Liebe, wenn um sie herum die Welt in Krieg und Chaos versinkt? 

 

Ich weiß nicht, wo ich beginnen und wo ich enden soll. Elya hat mit Melodie der Asche so ein eindrucksvolles, mutiges Debüt vorgelegt, fernab von jeglichem Romantasy-Einheitsbrei, das es mir schwer fällt, es einem bestimmten Genre zuzuordnen. Natürlich spielt die Liebe der beiden Protagonisten eine tragende Rolle. Die Liebe, die Zuneigung zwischen Laudan und Vaelen, die sich so zart entwickelt, aber vergleichsweise wenig Raum einnimmt insbesondere in der ersten Hälfte des Buches. Ist das schlimm? Um Himmels Willen, nein. Man spürt beide immer im Hinterkopf des anderen, aber sie haben wichtigere Dinge zu tun als einander hinterherzuschmachten. Sie haben alle Hände voll damit zu tun, am Leben zu bleiben und für ihre eigene Freiheit und für die Freiheit der Welt, in der sie leben, zu kämpfen. 

 

„Ich will die Welt nicht. Ich will sie verändern. Mit dir“ S. 373

 

Die Geschichte wird in mehreren Zeitebenen erzählt - und ich bin Elya so dankbar, dass sie dem Leser zutraut, ihr auf diesem Pfad zu folgen. Für mich war es ein Puzzlespiel, ein Rätsel, das es bis weit über die Mitte des Buches zusammen zu setzten galt. Welche Stränge überlappen sich, welches Puzzleteil gehört an welche Stelle, welche Hinweise gibt uns Elya und wie passen sie am besten in das gesamte Spiel. Identitäten und überlappende Handlungsstränge galt es zu entschlüsseln!  Oh, hat mir das Spaß gemacht! Insbesondere, da ich von Charakteren getragen wurde, die mir ans Herz gewachsen sind. Vaelen mit seinem unerschütterlichen Idealismus, der ungebrochene Wille und der Glaube an die Freiheit von Laudan und Caliyen mit seinem Schmerz, der in blutiger Rachsucht mündet. Ich konnte sie alle verstehen und wäre mit ihnen durch das feurigste Inferno gegangen. Mein liebster Nebencharakter war übrigens Laudans Freund Reskir, der auch in der Armee dient. Er bringt für mich die Lockerheit und den Witz ins Buch - den die anderen in ihrer Melancholie und in ihrem Schmerz (physisch wie psychisch) dringend benötigen. Ich liebe ihn einfach. Generell hat Elya mit ihrem großen Cast unheimlich verschiedene Figuren geschafften. Trotz der Fülle fiel es mir leicht, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten, oder ineinander zu fügen - ganz so wie es gerade von Nöten war. Und noch ein paar Worte zum Spicegrad - der hier zum Glück keine Gemüsesorten braucht, um angegeben zu werden. Dieser Roman funktioniert mit einer fantastischen Liebesgeschichte, in der die Liebe der Protagonisten in jeder Seite spürbar ist und auch ihr Handeln (klug!) bedingt, ohne, dass sie sich bei jeder Gelegenheit die Kleider vom Leib reissen müssen. Die Geschichte hat einfach so viel mehr Themen als die Lovestory - Rache, Hass, Hoffnung, der Freiheitsgedanke, eine blutige Rebellion gegen das Regime, die Stärke von Wort und Schwert  - das sind die Fundamente der Geschichte.  

 

„Aber was werden sie denken (…)“ „Dass Helden und Wunder existieren. Dass Hoffnung auf Freiheit existiert und dass das Licht des Morgens die Dunkelheit verdrängt.“ „Gut, geben wir ihnen einen Traum.“ S. 473

 

Oh, bin ich diesen Charakteren gerne durch ihre Welt gefolgt. Gleich ob ich mit Vaelen hinaus aufs tiefblaue Meer gefahren bin, oder mit Laudan eine hoffnungslose Schlacht geschlagen habe. Die Orte waren allesamt faszinierend - weil sie erfüllt waren von Leben, von Freundlichkeit, von Liebe, von Hass, Magie und Blut. Ich habe sie einfach gelebt und geliebt. Elya hat die Welt so reich und detailverliebt gestaltet, ohne sie zu erdrücken. 

 

“So werden Männer gemacht.“ Mein Vater hatte unrecht. So wurden Monster gemacht.“ S. 28

 

Wer hier ein hartes Magiesystem mit all den Erklärungen erwartet, die sonst in High-Fantasy Geschichten vorkommen, der sucht vergebens. Die Magie ist hintergründig, bedarf jedoch keiner großen Erklärung. Ich habe sie auf jeden Fall nicht vermisst. 

 

Elyas Sprache bewegt sich zwischen zart und klassisch - sie verleiht der Geschichte die Tiefe, sie trägt einen sicher durch die schockierenden Schlachten und abgrundtiefen Geheimnisse der Figuren, sie hat mich schimpfen, fluchen, lachen und schmerzvoll aufstöhnen lassen. Ihr Stil hat mich an die Geschichte gebunden. 

 

Symbole ziehen sich durch das gesamte Buch. Das Seidenband, der Ring, um nur einige zu nennen, die mir auch schon auf dem Cover begegnet sind - die Autorin hat sowohl Cover als auch Karte sowie Seitenillustrationen selbst gezeichnet - man spürt das Herzblut, das in jede Seite geflossen ist. So stimmt einfach jedes kleine Sandkorn in den Sanduhren. 

 

Das Buch ist ein Juwel, für alle, die gute High-Fantasy mit einem tragischen Liebespaar vertragen und die fernab von allen Romantasyklisches tief in den Freiheits- und Rachegedanken eintauchen mögen. Der Roman ist komplex, dramatisch und blutig - und er hat mich bis ins Mark berührt. 

 

„Wollt ihr die Welt retten (…)?“ „Ich fürchte, dazu braucht es mehr als Kuchen. Lasst uns gehen.“ S. 364