Rezension

Verdient in meinen Augen den Hype

Die Bestimmung 01 - Veronica Roth

Die Bestimmung 01
von Veronica Roth

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es ist inzwischen schwer, eine Dystopie zu lesen und sich nicht an unzählige andere Dystopien erinnert zu fühlen, einfach weil schon so viele interessante, spannende Ideen aufgegriffen wurden. Aber Veronica Roth hat für ihre Trilogie eine dystopische Welt erschaffen, die immer noch viel Neues zu bieten hat.

Zum einen fand ich das ganze System der Fraktionen faszinierend, gerade weil es mir so fremdartig erschien, Menschen an ihrem 16. Geburtstag im Prinzip in Schubladen zu stecken. Sie für den Rest ihres Lebens auf eine dominante Tugend zu beschränken... Sie sollen selbstlos sein ODER mutig ODER schlau ODER ehrlich ODER friedfertig - nicht alles zusammen, denn jede Fraktion glaubt, das nur eine dieser Tugenden der Schlüssel zum Heil ist. 

Ich habe immer noch leichte Zweifel, ob das so wirklich möglich wäre... Ist der Mensch dazu nicht ein viel zu komplexes Wesen? Aber mir wurde gesagt, darauf werde in Band 3 näher eingegangen, ich bin also gespannt!

Die Gesellschaft und das politische System dahinter wirken durchdacht und komplex, und das hat mir gut gefallen, denn es gibt der Geschichte eine solide Grundlage.

Aber vor allem lebt das Buch für mich von seinen Hauptcharakteren:

Tris wurde als Altruan von klein auf darauf konditioniert, selbstlos zu sein, immer nur an andere zu denken und nie an ihr eigenes Vergnügen, ihr eigenes Wohl... Nicht mal in den Spiegel durfte sie schauen, um nicht zu selbstgefällig zu werden. Jetzt ist sie in einer Fraktion, in der scheinbar (zumindest auf den ersten Blick) das genaue Gegenteil vermittelt wird: die Ferox stürzen sich mit wilder Ausgelassenheit in ihre gefährlichen Spiele, jagen nach dem ultimativen Adrenalinkick, und im Kampf ist sich jeder selbst der Nächste.

Und Tris springt im wahrsten Sinne mitten hinein in dieses Leben. Nur nicht schwach erscheinen, nur nicht zu sehr wie eine verklemmte Altruan wirken! Aber schnell stellt sie fest, dass es zwei Arten von Mut gibt - und zwei Arten von Ferox. Die, die gnadenlos das Recht des Stärkeren vertreten und auch nicht davor zurückschrecken, Schwächere zu verhöhnen oder gar zu verletzen, um ihren eigenen Status zu erhöhen. Deren Mut mir oft sinnlos und leer erschien, wie egoistisches Imponiergehabe.

Und dann gibt es die, deren Mut selbstlos ist. Die sich den ursprünglichen Werten der Ferox verschrieben haben: diejenigen zu verteidigen, die es selber nicht können. Für das einzustehen, was gut und richtig ist, auch wenn es der steinige Weg ist.

Four ist ein Vertreter dieser zweiten Gruppe, und auch, wenn er manchmal hart und einschüchternd wirkt, konnte ich rasch nachvollziehen, warum Tris sich zu ihm hingezogen fühlt: er verkörpert all das, was die Ferox sein sollten und leider immer seltener sind.

Die alltägliche Welt der Ferox bietet nicht viel Raum für Romantik, und so bleibt die Liebesgeschichte zunächst eher vorsichtig und besonnen... Aber sie hat mich dennoch überzeugt, vielleicht gerade weil sie nicht vor Kitsch trieft. Die zwei passen tatsächlich gut zusammen, auch wenn sie anfangs sehr unterschiedlich wirken.

Tris macht in dem Buch eine gewaltige Wandlung durch und schlägt dabei auch den ein oder anderen falschen Weg ein. Das war dann schwer zu lesen, macht sie aber auch glaubhaft.

Veronica Roth baut schon in den ersten Kapiteln schnell Spannung auf, die dann bis zum Schluss kaum einmal nachlässt. Es ist eine gefährliche Welt, in der Tris sich nun wiederfindet, und sie wird von Seite zu Seite bedrohlicher...

Auch der Schreibstil trägt dazu bei, dass sich das alles unterhaltsam, locker und packend liest! Er ist gut verständlich, bildreich aber dennoch eher schnörkellos, und meiner Meinung nach gut geeignet für jugendliche Leser.

Allerdings enthält das Buch viele gewalttätige Szenen - am Anfang wird Tris zum Beispiel fast täglich im Kampftraining übelst zusammengeschlagen. Deswegen würde ich das Buch nicht für Leser unter 14 Jahren empfehlen!

Fazit:
Ehrlich gesagt habe ich das Buch vor ein paar Jahren schon mal gelesen und fand es damals nicht schlecht, konnte den Hype aber nicht ganz nachvollziehen. Aber jetzt, beim zweiten Lesen, hat es mich dann doch auf einmal gepackt, und dafür dieses Mal so richtig! Paradoxerweise habe ich den Eindruck, dass ich es jetzt, wo ich schon unheimlich viele Dystopien gelesen habe, viel mehr zu schätzen weiß.

Es wirft in meinen Augen interessante Fragen über Selbstbestimmung und persönliche Verantwortung auf und ist dabei doch vor allen Dingen spannend und unterhaltsam.