Rezension

Sehr gut

Die Schuhe meines Vaters -

Die Schuhe meines Vaters
von Andreas Schäfer

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn Väter uns verlassen müssen

Schäfer hat ein berührendes Buch über den Abschied von seinem Vater und die Wege seiner eigenen Trauer geschrieben.
Ich wollte das Buch unbedingt lesen, weil ein bestimmter Auslöser, ca 2 Jahre nach dem Tod seines Vaters, Schäfer zu diesem Buch führte. Da auch ich vor gut 2 Jahren meinen Vater an einen Krebs verloren habe, interessierte es mich zu erfahren, ob Männer und Frauen unterschiedlich trauern und wie mir eine schriftliche Dokumentation als 'Trauerhilfe' gefällt.
Das erste mal weinen musste ich auf der zweiten Seite: ein sehr alter Krebs kehrte zurück und bildete Metastasen in den Knochen und im Kopf. Das ist mir bitter vertraut und ein scharfer Schmerz dringt zu meinen eigenen Erinnerungen durch.
Schäfer will dem Vater Anerkennung verschaffen, auch vor sich selbst. Das ist ihm gelungen.
Dieses Buch lässt nichts aus: weder die intensiven Gedanken vor der Entscheidung, ob er das Recht hat die Maschinen abzustellen, die den Vater am Leben halten noch die analytische Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zum Vater.
Das Buch besteht aus zwei Teilen: der Zeit, die unmittelbar dem Tod des Vaters voraus geht und einen Teil, der dem Leben des Vaters und dem Verhältnis zwischen Vater und Sohn gewidmet ist.
Beide Teile sind Schäfer gelungen. Wenn es beim ersten Teil noch nachvollziehbar ist, Leser:innen bei der Stange zu halten, wenn der Erfahrungshorizont ähnlich ist, so muss man schon schreiben können, wenn eine Lebensgeschichte einer 'unbekannten' Person fesseln soll. Schäfer, der kein unbelastetes Verhältnis zum Vater hatte, bemüht sich, die Faktoren, die Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Vaters hatten, angemessen zu würdigen. Das dort noch ein Weg zu gehen ist merkt man z.B ab Seite 60: statt mein Vater und ich, plötzlich der Vater und der Sohn... noch scheint Distanz nötig, um die belastenden Emotionen im Griff zu behalten.
Der schöne, schlichte Einband mit einem massiven Berg, alles in Grautönen gehalten, steht in schönem Kontakt zum letzten Leseabschnitt.
Für mich ist das Buch ein Meilenstein in der Verarbeitung meiner eigenen Trauer und eine klare Leseempfehlung für alle, die ihren Vater verloren haben.