Rezension

Sehr bewegend

Meine Hälfte von dir - Nancy Salchow

Meine Hälfte von dir
von Nancy Salchow

Sehr mutige und berührende Aufarbeitung des Todes eines geliebten Menschen

Nancy hat ihrem Zwillingsbruder Martin, der an einem bösartigen und sehr aggressiven Hirntumor erkrankt ist, am Krankenbett versprochen, dass sie beide ein Buch über seine Geschichte schreiben, wenn alles vorüber ist. „Und dann zeigen wir allen den Stinkefinger, die gesagt haben, dass man diesen Tumor nicht besiegen kann.“

Dieser Satz steht ganz zu Anfang des Buches, sagt aber schon ganz viel darüber aus. Schnell wird dem Leser klar, dass es eine wahre Geschichte ist, die die Autorin Nancy Salchow hier in sehr bewegender Art und Weise niederschrieb. Ein Jahr geben die Ärzte ihrem Bruder und empfehlen, ihm die letzten Monate so schön wie möglich zu machen. Doch ihr Bruder kämpft, und für die Angehörigen wechseln sich tiefste Verzweiflung und hoffnungsvolle Zeiten ab. Vielleicht kann er es ja doch schaffen. Es gibt Beispiele von Patienten, die aufgegeben wurden, am Ende aber doch überlebt haben. Doch damit kommen alle Beteiligten mehr als einmal an die Grenze ihrer Kraft. Dennoch müssen sie stark sein, für den geliebten Bruder, Sohn und Freund, aber auch für sich selbst

Ich hatte zu Beginn des Buches eine chronologische Abfolge erwartet, aber die Autorin springt in der Zeit umher und schreibt alles so auf, wie es ihr in den Kopf kommt. Dennoch hatte ich nie Probleme mit der Einschätzung, in welcher Phase der Krankheit sich Martin gerade befindet. Auch die Erzählweise ändert sich ständig. Nancy Salchow berichtet nicht nur aus eigener Perspektive, sondern lässt auch ihren toten Bruder zu Wort kommen, weil sie genau weiß, was er wie formulieren würde. Es fließen auch private eMails der Autorin und Tagebuchaufzeichnungen der Mutter mit ein, die dem Leser sehr deutlich machen, wie die Angehörigen empfunden haben und welche Sorgen und Zweifel sie geplagt und welche Hoffnungen sie seelisch wieder aufgebaut haben.

Das Ende bleibt offen, obwohl der Leser von Beginn an weiß, dass Martin es leider nicht geschafft hat. Ich persönlich empfinde das offene Ende jedoch nicht als Spielraum eigener Vermutungen, sondern als das Recht der Autorin, diese doch sehr emotionale und tränenreiche Zeit des Abschieds von ihrem Bruder privat zu halten.

Dieses sehr persönliche Werk der Autorin, mit dem sie das Versprechen an ihren Bruder erfüllt, hat mich sehr berührt und zu Tränen gerührt. Ich kann es vor allem jenen empfehlen, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden oder selbst einen schweren Verlust erlitten haben. Vielleicht kann dieses Buch helfen, besser damit umzugehen oder ein Stück Trauerarbeit zu leisten. Aber auch allen anderen kann ich dieses Buch ans Herz legen. Ich war vom Mut und den vielen positiven Gedanken aller Beteiligten ungemein beeindruckt. Es ist unglaublich, was ein Mensch in Extremsituationen zu leisten in der Lage ist.

Ich vergebe diesem Werk 5 von 5 Sternen.