Rezension

On the road to hell

Sarah Jane -

Sarah Jane
von James Sallis

Bewertet mit 4 Sternen

Die einzige Linearität besteht darin, dass der Roman nicht linear ist.

James Sallis skizziert die Welten und Charaktere seiner Protagonisten mit knapper, aber treffender, humorloser Ausdrucksweise. Hinter seinen Sätzen verbirgt sich eine Sensibilität, gekennzeichnet durch Zynismus, Fatalismus und moralischer Mehrdeutigkeit, eben „noir“.

Der Roman handelt von einer Frau, die ihren Platz in der Welt findet, aber ihrer Vergangenheit nicht entfliehen kann. Sallis versprüht tiefe Empathie für zentrale und nebensächliche Charaktere. Sarah begann als 7jährige ein Tagebuch zu führen. Kryptisch und zugleich mit dunkler Spannung ihr Bekenntnis: "Aber ich habe nicht die Sachen gemacht, die man mir andichtet. Zumindest nicht alle."

Zunächst rurales Noir auf Daddys Hühnerfarm und seiner Ansicht von privater Justiz: „Wir stammen aus einer guten Hillbilly-Familie. Wir rufen nicht die Polizei.“ Einer Mutter, die hin und wieder auf unbestimmte Zeit verschwindet. Dieses unstete rastlose Streben wird für Sarah bezeichnender Charakterzug. Mit siebzehn verschwindet sie, setzt sich in den Bus ohne Ziel und Plan, steigt einfach fünfhundert Kilometer weiter wieder aus: Cracker Barn.

Sarah meldet sich nicht ganz freiwillig für einen Militäreinsatz im Irak, kehrt traumatisiert zurück, arbeitet als Köchin, bringt mehrere unglückliche Beziehungen hinter sich, holt ihren Collegeabschluss nach, wird schließlich eine engagierte Polizistin und findet in ihrem Vor­gesetzten und Mentor Calvin ‚Cal‘ Phillips einen Seelenverwandten, dem gegenüber sie sich öffnen und über ihre Vergangenheit sprechen kann. Als Cal plötzlich verschwindet findet sich Sarah unversehens als Sheriff wieder.

Ein Verbrechen, das mehrere Jahre zurückliegt, holt Sarah ein, als ein FBI-Mann auftaucht, um in ihrem Umfeld zu recherchieren. Als er eines Tages mit „professionell“ gebrochenem Genick gefunden wird, sind die Umstände seines Todes schwer zu klären, und Sarah, die mehr ahnt, als sie preisgibt, gerät unter Druck. Ihr junger Kollege KC scheint unter die oberflächliche Kruste blicken zu können.

Bei weitem kein klassischer Krimi, wenn überhaupt, dann mehr philosophische Einlassungen der Protagonisten. Gesprächsfetzen und Gedanken, die ineinanderfließen, Texteinschübe entführen in neue Gegenden und Zeitphasen, das alles ist keine leichte Kost und verlangt vom Leser höchste Konzentration.

Einfach und flüssig zu lesen ist „Sarah Jane“ nicht, aber ein intellektuelles Vergnügen.