Rezension

Vom Versuch, Mensch zu werden

Sarah Jane -

Sarah Jane
von James Sallis

Bewertet mit 5 Sternen

Sarah Jane Pullman ist Sheriff in Farr, einer amerikanischen Kleinstadt. Zu diesem Posten kam sie als ihr Vorgänger von einem Tag auf den anderen verschwand. Offensichtlich hatte Cal, der ihr Boss und Mentor war, einige dunkle Geheimnisse. Aber auch Sarah ist kein unbeschriebenes Blatt und auch ihre Vergangenheit holt sie ein.

Der amerikanische Schriftsteller James Sallis erzählt in dem Roman „Sarah Jane“ von einer ungewöhnlichen Frau und ihrem unkonventionellen Leben. Sallis wird als „Philosoph unter den Thriller Autoren“ gehandelt und das merkt man mit jeder Zeile.

„Jeder Roman, jedes Gedicht ist immer dieselbe Geschichte, die wir und wieder und wieder erzählen. Wie wir versuchen wirklich Mensch zu werden und es doch nie schaffen.“

Bevor wir überhaupt mit Sarah Jane in Farr landen, erfahren wir einiges aus Sarah Janes Leben, vom Aufwachsen auf einer Hühnerfarm, der psychisch kranken Mutter, einem sprichwörtlichen Absturz des Vaters. Die erwachsene Sarah hat viele Leben gelebt: Herumtreiberin, Köchin, Soldatin im Irak. Sie lässt sich mit vielen Männern ein, meistens den falschen. Es streifen sie viele Tragödien, eigene und die ihr nahestehender Menschen. Sarah Jane muss lernen, dass manche Dinge einfach passieren.

„Ich habe nicht die Sachen gemacht, die man mir andichtet. Zumindest nicht alle.“

So außergewöhnlich wie der Charakter dieser Antiheldin, so außergewöhnlich die Erzählung. Sarah erzählt unsortiert, fragmentarisch, nicht linear, es bleiben Leerstellen, blinde Flecken. Immer wieder habe ich das Gefühl, ich müsste etwas wissen, was noch gar nicht erzählt wurde.

Vielleicht mutet es seltsam an, dass eine unstete Person wie Sarah Jane in den Polizeidienst eintritt. Und was als Provisorium gedacht war, beginnt ihrem Leben Inhalt zu geben Sarah Jane richtet sich ein, in der Stadt, im Job, mit der Verantwortung, nimmt die alltäglichen Ereignisse in der Stadt ernst.

Sarah Jane ist ein Ausnahmecharakter. Ich sehe eine markante Frau von mir. So schwierig diese Frau einzuschätzen ist, genauso schwierig lässt sich das Buch eindeutig einem Genre zuordnen. Roman oder doch Kriminalroman? Im Herbst 2021 landete „Sarah Jane“ auf einer Krimibestenliste. Das schürt eventuell Erwartungen. Dabei enthält das Buch kaum Elemente eines Krimis. Es gibt Verbrechen und Cops. Aber keine Ermittlungen, keine Verfolgung, jedenfalls keine, an denen wir teilnehmen. Fast ein Paradoxon, dass ich das Buch als Ausnahmekrimi loben möchte, gerade weil es kein „richtiger“ Krimi ist.

Die Alltagssplitter, die kleinen und großen Aufregungen, niemals banal, manche höchst gefährlich. Die große Empathie für das Personal bis in den kleinsten Nebensatz. Das Gefühl für Menschen am Rande einer unperfekten Welt. Die Versuche, Mensch zu werden. Großartig in Szene gesetzt.