Rezension

Nach "Die Wut, die bleibt" geht es in "Und alle so still" um das größere Ganze

Und alle so still
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 5 Sternen

Elin, Ruth und Nuri tragen jeweils ihre individuellen Probleme mit durch die Welt - und doch sind diese eng mit den Ereignissen verknüpft, die plötzlich in der Stadt passieren. Es beginnt damit, dass sich vor dem Krankenhaus Frauen niederlegen. Ausnahmslos Frauen. Sie äußern keinen Protest, sie formulieren keine Forderungen, sie liegen einfach da. Wie erschöpft. Und das sind sie. Erschöpft vom Kümmern, vom Sorgen, von all der unsichtbaren Arbeit, die vielfach auf Frauen abgeschoben wird, weil sie als nicht prestigeträchtig, nicht groß genug erachtet wird.
Aus einem einzelnen Ereignis werden mehrere, und aus mehreren Ereignissen schließlich ein Brand, den die Regierung nicht zu löschen vermag. Die Frauen verweigern sich, und das System, das auf so viel unbezahlter Kümmerarbeit beruht, bricht zusammen, als Krankenhäuser nicht mehr funktionieren, weil schon mit dem Fehlen von Sauberkeit und Versorgung, die viel von weiblichem Pflege- und Reinigungspersonal verrichtet wird, die Basis wegbricht. Doch was kommt nach dem Zusammenbruch, wenn alle, die systemrelevante Arbeit leisten, sie nicht mehr ausführen?

Mareike Fallwickl hat ein interessantes Szenario geschaffen - Ausgang offen. Ich muss gestehen, dass ich zunächst Schwierigkeiten hatte, mich in dieses Buch einzufinden. Zu sehr hab ich nach einem Ankerplatz für meine Zuneigung gesucht, die ich ihren Charakteren wie in "Die Wut, die bleibt" oder "Das Licht ist hier viel heller" entgegenbringen wollte. Fallwickl ging es aber um mehr als darum, fiktive Individuen zu kreieren, mit denen man mitfühlt. Es geht um eine Kritik an einem System, das so marode ist, dass es in sich einstürzen würde, wenn all das ehrenamtliche und nicht erwerbsarbeitende Engagement herausziehen würde. Ein Buch, das Diskussionsstoff bietet!