Rezension

Mit Schirm, Charme, Dampf und vielen Ideen

Wilhelmstadt. Die Abenteuer der Johanne de Jonker 01. Die Maschinen des Saladin Sansibar - Andreas Dresen

Wilhelmstadt, Die Abenteuer der Johanne deJonker - Die Maschinen des Saladin Sansibar
von Andreas Dresen

Klappentext:
Wilhelmstadt, 1899. Das stählerne Venedig Deutschlands. Eine dem Braunkohle-Rausch verfallene, hochindustrialisierte Stadt als Schauplatz einer verschwörerischen Intrige inmitten von Dampfmaschinen und mechanischen Gadgets.

Mitten in der Nacht versinkt die "Juggernauth" in den Fluten des Rheins. An Bord ist auch der Neffe von Kaiser Wilhelm II. Nur der Ingenieur Julius deJonker überlebt das Unglück, liegt aber unwiederbringlich im Koma. Trotzdem zeichnet der Kaiser ihn verantwortlich für die Katastrophe und enteignet ihn all seiner Besitztümer.

Nur seine Tochter Johanne ist von der Unschuld ihres Vaters überzeugt. Verarmt, aber voller Entschlußkraft, macht sie sich zusammen mit Miao, einer verstoßenen Luftnomadin mit einem Dampfbein, auf die Suche nach den wahren Schuldigen. Doch der Geheime Kommerzienrat Oppenhoff setzt alles daran, ihre Suche zu vereiteln und seine Spuren zu verwischen.

Der Autor:
Andreas Dresen, Jahrgang 1975, lebt und arbeitet in seiner Heimatstadt Aachen. Schon immer war er von fremden Welten fasziniert - von der wilden Atlantik-Küste Südirlands genauso wie von den Sagen und Legenden seiner Heimat. Und so findet sich in seinen Kurzgeschichten genauso wie in seinem Debütroman "Ava und die STADT des schwarzen Engels" eine fesselnde, gleichsam skurrile und charmante Mischung aus Fantasy-Elementen, klassischer Mythologie und einem scharfen Blick für die Kuriositäten der Gesellschaft und des Alltags.

Meine Meinung:
Johanne deJonker ist eine Kämpferin, auch wenn sie (fast) alles verloren hat. Durch ein Schiffsunglück kam der Neffe von Kaiser Wilhelm II. ums Leben, für dessen Tod ihr Vater Julius verantwortlich gemacht wird. Der Kaiser hat Johanne und ihrer Familie sämtlichen Besitz abgesprochen, und nun haust sie mit ihrer Leibwächterin Miao, Marianne und Joseph, den beiden Bediensteten, in einer unwirtlichen Gegend in Wilhelmstadt.
Doch so leicht lässt sich die energische Johanne nicht unterkriegen. Sie will herausfinden, was mit der "Juggernauth", dem Schiff, wirklich passiert ist. Dabei ist die Luftnomadin Miao eine große Hilfe.
Doch welche Rollen spielen der undurchsichtige Varieté - Künstler Saladin Sansibar und der Graf von Eyth? Nach und nach lichten sich die Ereignisse und befördern ungeahnte Verstrickungen zutage.

"Wilhelmstadt" ist ein Steampunk - Roman, der vor Ideen nur so sprüht. So gibt es vollautomatische Kochstellen, dampfbetriebene Pferde und andere Tiere, sowie Zeitungsautomaten. Der Friedhof birgt seine dunklen Geheimnisse und die Schwingungsorgel sorgt für Überraschungen.
Trotz all der Begeisterung waren mir die Beschreibungen manchmal zu ausufernd und ich hatte das Gefühl, dass die Handlung an sich nicht sonderlich vorangebracht wurde. In den letzten Kapiteln wurde die Geschichte aber immer spannender und nervenaufreibender.

Wilhelmstadt, das auf Stahlplatten gebaut und hochmodern ist, wartet mit den neuesten Technologien auf, doch auch hier gibt es Armut und den täglichen Kampf ums Überleben. Ein Ort der Gegensätze, die zeigen, dass auch Reichtum und Mittellsoigkeit eng beeinander liegen.

Besonders gefallen hat mit Hauptmann Esser, der ständig seinen Samowar dabei hatte, weil er ohne seinen geliebten Tee in Konfliksituationen nicht auskommt.
Gewünscht hätte ich mir, dass die Nebenfiguren, wie Miao oder Joseph, der den dunklen Künsten frönt, mehr Beachtung geschenkt worden wäre, aber es ist ja eine Reihe, also bietet die Geschichte noch viel Spielraum.

"Wilhelmstadt" ist ein einfallsreicher, bunter Steampunk - Roman mit einer starken Heldin, die ihren Weg geht und sicher noch die ein oder andere Entdeckung in den nächsten Teilen machen wird.

4 Sterne.