Rezension

Hinter den Kulissen des Oxford English Dictionary

Die Sammlerin der verlorenen Wörter -

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
von Pip Williams

Bewertet mit 5 Sternen

Ich kann mich noch genau erinnern, wie er aussah: der Oxford Advanced Learner’s Dictionary – das Standardwerk für jeden Englischschüler im analogen Zeitalter. Die australische Schriftstellerin Pip Williams interessierte sich nicht nur für seine Entstehungsgeschichte zwischen 1886 und 1928, sondern vor allem welche Rolle die Frauen dabei spielten und verarbeitete das Ergebnis ihrer Recherchen in diesem Roman.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Esme Nicoll, der Tochter eines wissenschaftlichen Mitarbeiters, die die mühsame Erstellung des Lexikons im von Männern dominierten Skriptorium hautnah mitbekommt. Sie arbeitet sich im wahrsten Sinne des Wortes hoch: als Kind sammelt sie unter dem Arbeitstisch aussortierte Wörter; mit der Zeit darf sie immer mehr Verantwortung übernehmen, sortiert Belegzettel und überprüft die Bedeutung von Wörtern in der Bodleian Library.

Die Vorgehensweise der Lexikographen allein ist schon für einen Sprachliebhaber wie mich unheimlich interessant, doch der besondere Reiz des Buches liegt in den vielfältigen Frauenfiguren, die Esmes Weg kreuzen. Die Alltagssprache einer Marktfrau, einer Schauspielerin und Suffragette oder des Dienstpersonals schaffen es nicht ins Wörterbuch, weil sie nicht vornehm genug oder nirgendwo niedergeschrieben sind - zu Unrecht findet Esme und unternimmt etwas dagegen.

Pip Williams hat in einer gelungenen Mischung aus Fakten und Fiktion eine warmherzige Hommage an die Frauen dieser Zeit verfasst: sowohl an die weiblichen Mitarbeiterinnen des Wörterbuchs, die einen wichtigen Beitrag leisteten, als auch an die Frauenrechtlerinnen, die für das Frauenwahlrecht kämpften.