Rezension

Für Leser mit Sinn für das Unerwartete im Leben

Almuth spielt auswärts - Tanja Kokoska

Almuth spielt auswärts
von Tanja Kokoska

Bewertet mit 5 Sternen

„Almuth spielt auswärts“ von Tanja Kokoska ist als Klappbroschur im Pendo Verlag erschienen. Auffällig am Buch sind die kleinen Piktogramme, die sich entlang eines gepunkteten Wegs vom Coverrand über den Bildausschnitt, der selbst auch den Blick des Lesers auf sich zieht, bis auf die gegenüberliegende Seite der Vorderseite winden. Auch auf dem Buchrücken ist eine kleine Wegstrecke ähnlich wie vorne zu finden. Die gleichen Bildchen finden sich am Anfang eines jeden Kapitels und begleiten Almuth auf ihrer Reise in die Schweiz und wieder nach Hause. Beachtenswert ist auch das Rezept, das sich in der hinteren Klappe versteckt. Der Titel sollte allegorisch gesehen werden, doch dazu später.

Paula, schon über 60 Jahre alt, lädt ihre beiden in etwa gleichaltrigen Freundinnen Almuth und Lilo zu einer fünftägigen Fahrt in die Schweiz ein. Den beiden erklärt sie, dass sie die Reise von einem Erbe bezahlen wird. Almuth hat noch nie ohne ihren Ehemann, mit dem sie bereit s 30 Jahre verheiratet ist, Urlaub gemacht. Aber nicht nur sie bringt der Ausflug in eine neue, ungewohnte Situation, denn Lilo ist gerade erst verwitwet und vermisst schlichtweg auch im Urlaub ihren verstorbenen Mann und Paula gibt sich betont abenteuerlustig und fröhlich. Erst am Ende von Urlaub wird ihren Freundinnen klar, warum das so ist. Almuth hat gar keine Lust immer dem von Paula Angesagtem zu folgen, so dass sie am dritten Abend beschließt, allein im Hotel zurückzubleiben. An diesem Abend läuft ein Fußballländerspiel im Fernsehen. Die fußballbegeisterte Almuth, deren Lieblingsclub der FC Barcelona ist,  macht sich auf den Weg in eine nahegelegene Gaststätte in der das Spiel gezeigt wird.  Dort setzt sie sich zu Jens, einem Auswärtigen wie sie, an den Tisch. Almuth kommt mit dem sehr viel jüngeren Mann ins Plaudern und beide möchten nach Ende des Spiels noch nicht auseinandergehen. Für Almuth geschieht in dieser Nacht das Unvorhergesehene. Wie über viele Dinge des Alltags macht sie sich nun Gedanken über ihr weiteres Leben an der Seite ihres Ehemanns. Soll sie ihm von ihrem „Auswärtsspiel“ erzählen, würde er Verständnis dafür haben und wird sich überhaupt irgendetwas dadurch in der täglichen Routine für sie ändern?

Obwohl die Autorin noch jünger ist als ihre Protagonistin, hat sie Almuth nachvollziehbare Gedanken angedichtet, die Menschen über 60 haben könnten, wenn sie auf ihren Alltag und die vergangenen Lebensjahre blicken. Ungewöhnlich ist die Art und Weise auf der Almuth Geschehnisse betrachtet. Sie vergleicht Personen, Sachen, aber auch ganze Szenen gerne bildhaft beispielsweise mit Brot in verschiedenen Zuständen und Zubereitungen  oder verwendet dafür Begriffe aus dem Fußball. Daraus ergibt sich häufig ein ganz besonderer Wortwitz. Das macht Almuth, die mir von Beginn an sympathisch war, zu einem unvergleichbaren Charakter. Manche ihrer Gedanken spricht sie auch direkt ihrem Gesprächspartner gegenüber laut aus. Darin konnte ich mich wiederfinden. Die Gespräche mit ihren Freundinnen gestaltet Tanja Kokoska sehr lebendig und alltagsnah, wie aus dem Leben gegriffen, finde ich. Almuth gibt dem Leser mit auf den Weg, dass es sich lohnt, die Stille zu durchbrechen, die sich in das Alltagsleben einer Ehe mit der Zeit einschleicht, und Neues auszuprobieren. Wie weit man dabei gehen möchte und was akzeptabel ist, wird jeder für sich entscheiden müssen. Von mir gibt es für dieses Buch eine klare Leseempfehlung.