Rezension

Einfühlsames Porträt des steinigen Weges erwachsen zu werden

Von Männern und Menschen - Olli Jalonen

Von Männern und Menschen
von Olli Jalonen

In „Männern und Menschen“ porträtiert der finnische Autor Olli Jalonen einfühlsam aber prägnant die Schwelle vom naiven Jugendlichen zum verantwortungsbewußten Erwachsenen.

Der Leser begleitet den Protagonisten O. durch den Sommer 1972. Die schwere Krankheit seines Vaters zwingt ihn zur Arbeit auf dem Bau, um dessen Schulden abzuarbeiten. Ein Stipendium für ein Aufenthalt in der USA kann er nicht wahrnehmen. Seinen Eltern verschweigt er diese Umstände, er handelt einfach aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus. Die Arbeit ist hart für einen 17jährigen und seine Kollegen sind alle älter. Es herrscht ein rauer Umgangston und O. muss sich, in dem teils derben Klima, erst mal zurechtfinden. Dennoch entwickelt er sich in diesem Sommer zu einem bemerkenswerten jungen Mann mit einem starken Charakter. Er steht für Schwächere ein, beteiligt sich nicht an Intrigen, dient der Familie in schweren Zeiten als echte Stütze und begegnet dem weiblichen Geschlecht mit dem nötigen Respekt. Ein eher untypisches Verhalten für finnische Männer in den 70er Jahren.

O. fungiert als Ich-Erzähler und an diese eindimensionale Perspektive musste ich mich erst gewöhnen. Der junge Mann erträgt alles mit stoischer Gelassenheit und genauso beschreibt er sein Umfeld und seine Erlebnisse. In seinem Alter agiert er zuweilen erstaunlich reif. Disziplin und Fleiß zeichnen ihn aus und er erledigt seine Tätigkeiten mit Fleiß und Elan. Selbst die erste Erfahrung mit einer Frau löst bei O. keineswegs eine Wucht an Gefühlen aus. Ein echtes Kunststück, das der Autor hier vollbrachte, trotz des ganzen Pragmatismus, dem Leser so viel Nähe zum Protagonisten einzugestehen, das er berührt ohne emotional zu sein.

„Obwohl mein Vater geschrumpft ist und gealtert aussieht, kommt es mir andersrum vor, nämlich so, als wäre ich selbst älter geworden und an ihnen vorbeigezogen. Das Gefühl hatte ich früher schon mal, auch wenn es wahrscheinlich nichts anderes ist, als dass die eigene Zeit vergeht, und so etwas tut innerlich weh.“ Zitat S. 193

Eine der wenigen sentimentalen Momente von O.,welche aufzeigt, wie groß die Last auf seinen Schultern liegt und er sich für seine Eltern verantwortlich fühlt. Seine Entscheidung die Schule abzubrechen, um die Familie zu ernähren, rührt von der Sicht, die er momentan von seinem Vater hat und auch die Mutter ist zu schwach um die Umstände würdevoll zu ertragen. Sie belasten noch ganz andere Dinge aus der Vergangenheit.

„An bestimmten Orten erinnert man sich immer an die gleichen Dinge, auf diese Weise werden solche vertrauten Orte zu Teile des Denkens. So als hätte sich ein kleines Stück der Gedanken nach draußen verschoben, um dort zu warten. Es liegt an dem jeweiligen Ort bereit und wartet nur darauf, wieder mit den anderen Teilen verbunden zu werden.“ Zitat S. 410

 

Olli Jalonen`s klare Sprache und zuweilen auch harte Ausdrucksweise verfolgt man mit Leichtigkeit und Vergnügen. Der ruhige Erzählfluss verbindet sich mit dem unaufgeregten Spannungsbogen, der es schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen. Die Spannung ist nicht immer greifbar, sondern sie liegt vielmehr im Gedankenspiel des Ich-Erzählers und fasziniert mit Erinnerung und Reflexion.

Die aufwühlenden Ereignisse aus dem Jahr 72 spielen hier nur unterschwellig eine Rolle und werden in Dialogen nur angekratzt. Der Roman spiegelt nicht den Zeitgeist von damals wieder, sondern verinnerlicht die Mentalität und Ansichten der Finnen.

Jedes Kapitel beginnt mit Ausschnitten politischer Reden, des damaligen umstrittenen Präsidenten Kekkonen. Ein kleiner Einblick der politischen Turbulenzen in Finnland, zu dieser Zeit, werden in die Handlung verwoben, bleiben aber nur Geschehen am Rande.

Vielmehr steht hier die Menschlichkeit, Verantwortung, Vertrauen, Liebe und Hoffnung im Vordergrund. Ein steiniger Weg muss nicht immer das Ende der Möglichkeiten bedeuten. Rückschläge muss man einstecken, den Blick nach vorne richten und einen Neuanfang wagen. Erkenntnisse, die auch für das eigene Leben von Bedeutung sein können.

Das Ende ist offen und lässt Raum für Spekulationen. Aber es ist auch ein Abschied von lieb gewonnen Figuren, die man gerne auf ihrem Weg begleitet hat. Ein gutes Buch zeichnet aus, wenn man nach langer Zeit bei seinem Anblick, Geschichte und Charaktere sofort wieder im Gedächtnis hat. Genau diese Prognose, kann ich diesem Buch ohne Umschweife stellen.

5 Sterne von mir