Rezension

Ein Jahr mit Johnsey - amüsant, berührend... toll!

Die Sache mit dem Dezember
von Donal Ryan

Bewertet mit 5 Sternen

Johnsey Cunliffe, ein junger Mann Anfang 20 wohnt noch immer auf dem Hof seiner Eltern in Irland. Als diese kurz hintereinander sterben, bleibt Johnsey dort. Er ist ein sehr schüchterner und ängstlicher junger Mann, der kaum ein Wort mit jemandem spricht und von Intelligenz nicht unbedingt gesegnet ist. Nach dem Tod seiner geliebten Eltern verfällt er in große Einsamkeit. Eine befreundete Familie aber unterstützt ihn so gut es geht. Schon seit eh und je ist Johnsey Zielobjekt der bösen Spielchen der Dorfjugend, bis er eines Tages krankenhausreif geschlagen wird und lange Zeit im Krankenhaus verweilt. Dort findet er Freunde, die ihm auch danach bleiben. Parallel zu diesen Geschehnissen will die Gemeinde das Land von Johnseys Familie kaufen, um größere Bauvorhaben umzusetzen. Johnsey ignoriert diese Anfragen und Bitten konsequent. Er will das Land seines Vaters nicht verkaufen und gerät so immer mehr in Ungnade…

„Einsamkeit lag über der Welt wie eine Decke. Sie floss im Fluss durch die Auen hinunter zum See. Sie war im Matsch auf dem Hof und im Gestrüpp um den Heuplatz, und die leeren Wirtschaftsgebäude strotzten nur so davor. Drinnen im Haus lief sie die Wände hinab wie Tränen und auf den Außenwänden wuchs sie wie giftiges, schlingendes Unkraut. Sie war im Himmel und den Steinen und den Wolken und im Gras. […] Sie hatte einen Geruch, wie das Innere eines Kochtopfes: zerkratztes Metall, kalt und stechend.“

Erzählt wird Johnseys Geschichte aus seiner eigenen Sicht. In 12 Kapiteln – für jeden Monat des Jahres eines – erinnert er sich jeweils zu Beginn in Rückblenden, wie sich der Alltag auf dem Hof seiner Familie und im Dorf gestaltete, um anschließend zu den Geschehnissen in der Gegenwart überzugehen. Johnseys Gedankenwelt ist dabei so warmherzig, klug und weise, dass ich nicht umhin gekommen bin, mich zu wundern. Sein Leben im „innersten“ ist völlig anders und viel bunter und vielschichtiger als das, was er nach außen hin von sich Preis gibt. Gleichzeitig kommen seine Gedanken kaum zur Ruhe. Dadurch gelingt es dem Autor, eine ungeheuer fließende, tiefgründige und manchmal nahezu atemlose Erzählform zu erzeugen, die mich sehr gefesselt hat. Wunderbar bildhaft sind seine Beschreibungen, insbesondere der Gefühlswelt Johnseys (hier verweise ich auf das Zitat). Zuweilen recht lustig wiederum ist die Schreibweise einiger Begriffe, die deutlich macht, dass Johnsey nicht die hellste Kerze ist. Da habe ich oft schmunzeln müssen. Alles in allem hat Donal Ryan hier ein tolles Debut abgeliefert, in dem Sprache und Inhalt eine ganz großartige Einheit und Homogenität bilden, wie ich sie besonders mag. Über das Ende des Romans kann man diskutieren. Viele sehen darin ein offenes Ende. Ich persönlich habe sofort eine Idee gehabt, was der Autor meint. Ob diese aber richtig ist? ;-)

Fazit: Donal Ryan hat mich mit diesem Roman sehr überrascht und begeistert. Sprachlich zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, dann fließt es umso besser. Die Story lebt von Johnseys aufrichtiger,  nimmermüder Gedankenmühle und fesselt bis zum Schluss. Letztlich ist Johnsey mir ein sehr lieb gewonnener Begleiter durch diese Geschichte geworden, den ich gern mal in den Arm genommen hätte. Sehr empfehlenswert!

Kommentare

katzenminze kommentierte am 06. Oktober 2015 um 17:05

Hmm, du machst mich neugierig! :) Vor allem mit dem Ende.

Naibenak kommentierte am 06. Oktober 2015 um 17:24

Oh ich glaube echt, es wird dir gefallen!!!! :)