Rezension

Ein Buch, das mich weit über das Ende hinausträgt - ich bin noch immer gefangen

Tayfun
von Evelyn Barenbrügge

Bewertet mit 5 Sternen

Evelyn Barenbrügge hat ein Thema aufgegriffen, das in dieser Form noch nicht behandelt wurde: Maria Theresias Assimiliationsgesetzte bezüglich der Zigeuner, Brauchtum der Sinti und Roma im 18. Jahrhundert (bisher Bekanntes über diese Volksgruppe stammt überwiegend aus der NS-Zeit), Bauernaufstand unter Horea in Siebenbürgen.

Das sehr schöne Cover, das sich angenehm von den weitverbreiteten abgebildeten Frauen unterscheidet, ist mir sofort aufgefallen, der Klappentext hat mich schnell überzeugt – und ich wurde nicht enttäuscht. Ich durfte ein informatives, spannendes und zwischendurch auch humorvolles Kopfkino erleben. Ich spürte die intensive Recherche der Autorin auf fast jeder Seite. Durch Leandro Lovare und seiner Baba (Urgroßmutter) erfuhr ich viel über die Gebräuche der Zigeuner, über ihre Empfindungen und ihr Leben.  Am Schicksla von Leandro zeigt die Autorin anschaulich und überzeugend, wie hart die Verordnungen Maria Theresias gerade diese Bevölkerungsgruppe getroffen haben muss.  Der wunderbar bildhafte und flüssige Stil der Autorin gefällt mir ausgezichnet. Auch der zweite Protagonist der Geschichte, Tom, gefällt mir sehr gut. Den ersten dramatischen, wenn auch noch unwissenden Berührungspunkt, der beiden Protagonisten in zwei Kapiteln aus beiden Sichtweisen darzustellen, empfinde ich als äußerst gelungen Schachzug der Autorin, die Spannung auf dem Höhepunkt zu halten.  Auch wenn die Handlungsstränge relativ spät zusammenführen, waren die Schicksale von Lenadro und Tom derart mitreißend, dass es für mich keine große Rolle spielte, wann sie nun wirklich aufeinandertreffen. Die Intensität der Hinrichtungsszene, die als einzige Szene aus der auktorialen Erzählperspektive geschildert wurde, hat mir wie Leandro im wahrsten Sinn des Wortes die Sprache verschlagen. Mein Fazit: Dieses Buch richtet sich an Leser, die sich einen Sinn für Tiefe, gute Sprache, ausgereifte Charaktere und ein historisches Verständnis bewahrt haben. Diesen kann ich dieses tolle Buch nur empfehlen.