Rezension

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Ein außergewöhnlicher und virtuos humorvoller Roman - klare Leseempfehlung!

Manchmal rot - Eva Baronsky

Manchmal rot
von Eva Baronsky

Bewertet mit 4.5 Sternen

Auf dem Cover wird die Identität von IHR und IHM in den "Flussschnellen des Lebens" gehörig durcheinandergewirbelt. Der Roman "manchmal rot" von Eva Baronsky ist als HC zum inhaltlich passendem "outfit" 2015 im Aufbau-Verlag erschienen. Er umfasst 348 Seiten und ist in Teil I bis III gegliedert. Der Roman beginnt mit "to whom it may concern" und ist mit ironischem Unterton intelligent geschrieben und in einer humorvollen Skurrilität verfasst, die satirische Elemente - vor einem ernsten Hintergrund - beinhaltet und den ich mit großer Begeisterung gelesen habe, da er in sprachlicher Hinsicht außergewöhnlich ist.

==  Inhalt (Buchrückentext) ==
"ich habe gerade erst angefangen, jemand zu sein". Es ist ein Kurzschluss, der zwei Lebenswelten, die sich sonst kaum berühren, aufeinanderprallen lässt: Die eines erfolgsverwöhnten Anwalts und die seiner illegal beschäftigten Putzfrau. Was dann passiert, bedeutet für beide den völligen Verlust von Selbstverständlichkeiten.

== Meine Meinung ==
Hier prallen im wahrsten Sinne des Wortes zwei Welten aufeinander, die verschiedener nicht sein könnten: Der von seiner Freundin verlassene, erfolgsgewohnte, analytisch denkende Tops-Anwalt einer Frankfurter Kanzlei für internationales Wirtschaftsrecht und die bis zu ihrem Fall von der Leiter (in seiner Wohnung) purzelnde Putzfrau - bis dato eher schüchtern, zurückhaltend, wenig selbstbewusst, des Lesens nicht mächtig und im Alltag scheinbar auf fremde Hilfe angewiesen; zudem aufopfernd, als Freundin eines Spielsüchtigen co-abhängig....
Während ER, Christian, unser Hauptprotagonist, stets auf der Jagd nach dem "big deal" sowie einer Fusion mit einer US-Kanzlei und weiteren Millionen ist, nistet SIE, die nach dem Unfall an Amnesie leidet und sich an nichts mehr von ihrem früheren Leben erinnern kann, bei IHM ein; entdeckt ein "Druckmittel", das es ihm nicht ermöglicht, SIE wieder auszuquartieren. Verwundert stellt der ansonsten emotionslos und in die Erfolgsrolle "verfrachtete" Anwalt "menschliche Züge" an sich selbst fest: Hilfsbereitschaft... Da ER solch banale Dinge wie Haushaltsführung schon lange "outgesourct" hat, stellt ER auch fest, dass er ohne Hilfe im Chaos versinkt..
Während sich Christian und SIE ("Angelina", der Name kommt erst später ins Spiel) annähern und ER ihre Anwesenheit mehr und mehr zu schätzen lernt, wird SEIN Selbstverständnis auf eine harte Probe gestellt, alle Wertigkeiten durcheinandergewirbelt...
SIE verpuppt sich, hatte ich den Eindruck, von der unscheinbaren Raupe in einen buntschillernden Schmetterling: SIE lernt auf autodidaktische Weise lesen und später auch das Klavierspielen, während ER sich nach Charlotte sehnt, die ihn zugunsten eines Kunstprofessors verlassen hat - aus diesen Zusammenhängen ergeben sich herrliche, skurrile Situationen, die die Autorin sprachlich virtuos und in slapstick-Manier umzusetzen weiß, was mir sehr gut gefallen hat.
Obgleich SIE mehr und mehr hinter seine Fassade blickt, in ein Korsett der Finanzwelt gesteckt, funktionierend, reich und vermögend, sprachgewandt - aber innerlich leer und unglücklich, "nicht echt", aber immerhin mit Lachfältchen um die Augen, entsteht eine Beziehung, die jedoch dort endet, wo seine (Finanz- und Repräsentier)welt beginnt...
Um sein bzw. das Schwarzgeld seines Vaters in vermeintliche Sicherheit zu bringen, nimmt er SIE mit auf eine Reise, die er durchplant und einen alten Studienfreund besucht - hier wittert ER keine Gefahr und jede Aussage zu IHRER Person wurde "einstudiert" - dennoch verlief die Reise anders, als von IHM geplant, denn IHR kommen Zweifel an IHM und SIE erkennt, das es keine gemeinsame Zukunft geben kann..
Während ER Heiratspläne schmiedet (und SIE Charlotte's Rolle übernehmen soll, denn "Frau und Kinder gehören ja dazu" ) macht sie sich aus dem Staub - und lebt fortan ihre neuentdeckte Identität, PETRA, die nichts mehr mit ANGELINA gemein hat....

== Fazit ==
Ein etwas skurriler Roman, der viele unerwartete Wendungen bereithält und zum Nachdenken Raum lässt und auch anregt, wodurch mir viele humorvolle Lesestunden beschert wurden.
Eine außergewöhnliche und virtuose, sehr lebendige Sprache zeichnet "manchmal rot" aus, der es an Situationskomik nicht mangelt und intelligent geschrieben wurde. Für mich war es das erste Buch der Autorin, aber ganz sicher nicht das letzte!

 "Es kommt im Leben nur darauf an, herauszufinden, was man ist, und es dann zu sein".... "ein wirklich gutes Leben kannst du nur haben, wenn du es mit Leib und Seele bist"
 (aus dem Roman bzw. dem Film "Einer flog über's Kuckucksnest" - das wäre mit einer klaren Leseempfehlung mein Résumée - dazu gibt es 92 Punkte in der Werteskala und 4,5 Sterne - aufgerundet hier verdiente 5 ;-)