Rezension

Düster, fesselnd und anders

Der letzte Engel 01 - Zoran Drvenkar

Der letzte Engel
von Zoran Drvenkar

Bewertet mit 4.5 Sternen

Meine Meinung:

 

Das Buch ist auf jeden Fall anderes - und kein typischer Engel-Roman. Die Zielgruppe richtet sich vermutlich in erster Linie an Jungen, was mich aber nicht im Geringsten gestört hat.

Die Idee ist neu und originell, und auch die Umsetzung ist fremdartig und neu. Wenn du also etwas absolut Ungewöhnliches, eine Abwechslung zu den üblichen Young Adult - Romanen suchst, könnte dieses Buch etwas für dich sein. Könnte, denn es ist speziell und ich kann mir vorstellen, dass einige mit dem Stil ihre Differenzen haben. Aber mir gefiel er.

 

Ich habe bisher kein Buch erlebt, bei dem der Ich-Erzähler so wenig zur Sprache kommt, wie in diesem. Das Buch ist keins, das viel Charakternähe bietet, doch darum geht es auch gar nicht. Und wenn man sich damit abgefunden hat, hat das Buch eine Chance.

Die Erzähler wechseln dauernd, dabei kommen sie meistens öfter zu Wort. Motte erzählt als Einziger aus der Ich-Perspektive, aber neben ihm erzählen auch viele andere ihre Geschichten: Eske, das Mädchen, ... Dabei ist der Perspektivenwechsel total verwirrend und besonders am Anfang war ich auch verwirrt. Die Geschichten der einzelnen Erzähler springen quer durch die Zeit, mal sind sie im Jetzt, mal zwei Wochen früher, mal zwei Stunden früher, mal zwei Jahrhunderte früher. Sie scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, bis der Leser langsam die Verbindungen dazwischen entdeckt.

 

Letztendlich steht die Geschichte hinter alldem im Vordergrund. Die Geschichte dahinter, dass Motte eines Tages tot aufwacht. Die Geschichte, die sich hinter all den Geschichten der erzählenden Personen verbirgt und die ihren Ursprung in der Vergangenheit hat. Und von dieser Spannung lebt das Buch. Dem Leser werden immer nur Häppchen zugeworfen, manchmal Informationen, mit denen er kaum etwas anfangen kann. Es ist wie ein riesiges Puzzle, zu dem der Leser nach und nach die Stückchen bekommt und zusammen setzen muss. Am Ende ist es immer noch nicht ganz vollständig - aber ich habe das Gefühl, dies ist ein Buch, bei dem man noch beim fünften Lesen Aha-Momente hat. Und es kommt ja noch ein zweiter Band.

Das Buch ist extrem spannend und absolut fesselnd, was einerseits durch die Ereignisse, aber eben auch dadurch, dass man hinter das Ganze kommen will, begründet ist. Gleich am Anfang steigt der Autor ohne großes Vorgeplänkel in die Geschichte ein und im nächsten Moment findet sich der Leser in einer rasanten, actionreichen Handlung wieder, die sich auf andere Handlungen stützt.

 

Die Geschichte ist ein wenig brutal - immerhin wird der Leser auf den ersten Seiten schon mit der Beschreibung eines Schlachtfeldes konfrontiert. Über der Geschichte schwebt der Tod wie ein dunkler Schatten, oder mit anderen Worten: Die Atmosphäre des Buches ist düster, gespannt und unheilvoll.

Dazu kommen die verwirrenden Perspektivenwechsel quer durch die Zeit und man hat den fesselnden Stil, der dieses Buch ausmacht. Anders, speziell, ungewöhnlich - aber wenn man sich darauf einlässt, einmal etwas Neues. Vieles wirkt auf den ersten Blick negativ, aber mich konnte dieser spezieller Stil überzeugen.

 

In dem Buch gibt es kein Gut und Böse. Es gibt die Charaktere, die dem Leser ans Herz wachsen - auch wenn der Leser nicht besonders viel über sie erfährt. Damit muss man sich abfinden. Es gibt Charaktere, die sind einem eher unsympathisch. Aber die Frage, wer auf der richtigen Seite steht, lässt sich nicht wirklich beantworten, denn nicht alles ist so, wie es anfangs wirkt. Dabei haben die vermeintlich Bösen durchaus ihre Handlungshintergründe, die aus einer gewissen Perspektive schon wieder richtig erscheinen.

 

Fazit: Definitiv anders und fremdartig, eine spezielle Mischung aus atemberaubender Spannung, einer dunklen Atmosphäre, einem häufigen Perspektivenwechsel und einem uralten Geheimnis mit teils brutalen Auswirkungen jenseits von Gut und Böse