Rezension

Der verlorene Sohn

Eines Tages für immer -

Eines Tages für immer
von Clare Empson

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gerade erst ist Luke (27) Vater seines Söhnchens Samuel geworden. Mit seiner Freundin Hannah genießt er das frische Familienglück. Doch eine Frage treibt ihn seit der Kindheit um: Wer sind seine leiblichen Eltern? Tatsächlich gelingt es ihm, seine Mutter Alice Garland ausfindig zu machen, die ihn zur Adoption freigegeben hat, als sie als 19-jährige Kunststudentin in London ungewollt schwanger geworden war. Die Begegnung mit dem verlorenen Sohn reißt bei Alice jedoch alte Wunden auf und lässt bei Luke einige Fragen offen...

„Eines Tages für immer“ ist ein Roman von Clare Empson.

Meine Meinung:

Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln, die im Präsens abwechselnd in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Luke und Alice erzählt werden. Dadurch entstehen zwei Erzählstränge, wovon einer im Jahr 2000 („Heute“) und einer im Jahr 1972 („Damals“) spielt, jeweils in London. Der Roman endet mit einem Epilog. Der Aufbau ist durchdacht und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, einfühlsam und aufgrund von viel direkter Rede sehr lebhaft. 

Sowohl Luke als auch Alice sind zwei interessante Charaktere. Mir gefällt es gut, dass es nicht um Mutter und Tochter, sondern Mutter und Sohn geht, was wesentlich seltener in solchen Romanen der Fall ist. Luke ist ein durchweg authentischer und nicht unsympathischer Charakter mit Ecken und Kanten. Während Alice mir im Jahr 1972 noch zugesagt hat, wirkt ihre Person in der jüngeren Vergangenheit inkonsistent und hat mich zunehmend mit rücksichts- und verantwortungslosem Verhalten geärgert. Ihre Aktionen im aktuelleren Erzählstrang stehen in starkem Kontrast zur Vergangenheit und sind für mich nicht nachvollziehbar. 

Das Thema Adoption und die Schwierigkeiten, die damit und mit Familienzusammenführungen einhergehen, bieten viel Stoff zum Nachdenken. Außerdem geht es um psychische Krankheiten und andere heftige Erfahrungen, die eine etwas düstere und schwermütige Atmosphäre schaffen. Zwar beinhaltet der Roman auch eine Liebesgeschichte. Dennoch nimmt die Romantik nicht zu viel Platz ein. Ein weiterer Aspekt, der eine Rolle spielt, ist die Kunst. Das alles macht den Roman facettenreich und tiefgründig.

Der Einstieg ist etwas zäh. Auch im weiteren Verlauf hat die rund 440 Seiten umfassende Geschichte ein paar Längen. Das Tempo nimmt in der zweiten Hälfte zu. Die Handlung gewinnt an Dramatik. Zum Schluss gelingt der Autorin zudem eine überraschende Wende, die für einen alles in allem zufriedenstellenden Ausgang sorgt. In weiten Teilen ist die Geschichte aber weniger geheimnisvoll als erhofft und sogar ziemlich durchsichtig, wenn auch stimmig.

Der deutsche Titel erschließt sich mir leider nicht, der englischsprachige („Mine“) dagegen schon besser. Die Gestaltung des Taschenbuches ist optisch ansprechend, hat aber keinerlei erkennbaren Bezug zum Inhalt.

Mein Fazit:

„Eines Tages für immer“ von Clare Empson ist ein Roman mit mehreren Stärken, aber auch Schwächen. Auch wenn mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen konnte, habe ich das Buch gerne gelesen.