Rezension

Das Hausmädchen sagt aus - ein Sittengemälde Chiles

Mein Name ist Estela -

Mein Name ist Estela
von Alia Trabucco Zerán

Bewertet mit 4 Sternen

Das Hausmädchen Estela lebt und arbeitet in einem wohlhabenden Hausstand in Chile. Mann (Arzt) und Frau (Rechtsanwältin) sind kühl und distanziert und schwer beschäftigt mit ihren ausfüllenden Berufen. Die Tochter, mit deren Geburt Estelas Job in der Familie beginnt, wächst unter enormem Leistungsdruck und der Gefühlskälte ihrer Eltern auf. Nach sieben Jahren wird die Tochter Julia tot aufgefunden. Estela sitzt im Verhörraum und erzählt die Geschichte.

Diese Geschichte wird ausführlich bis ins letzte Detail von Estela offen gelegt. Ich hänge Estela durchaus größtenteils an den Lippen, bin fasziniert von den Dingen - den Zuständen in solch einem chilenischen Haushalt. Das Hausmädchen Estela wird ausschließlich als solches gesehen und behandelt. Kein Funken Persönlichkeit oder gar Wärme wird spürbar. Was dies mit ihr macht, wird anhand ihres Verhaltens sehr deutlich. Auch fließen Erinnerungen an ihre Mutter und ihre eigene Kindheit mit in das Erzählte ein, was mir sehr gefallen hat., weil auch hier Erklärungen für Estelas Verhalten zu finden sind. Estela ist zuweilen eine sehr unzuverlässige Erzählerin - so kommt es mir vor. Psychologisch ist der Roman supergekonnt in Szene gesetzt und hat mich gefesselt.

Hinzu kommen die gesellschaftlichen Umstände in Chile in einer Zeit der Unruhen und Proteste gegen die Regierung. Diese erfahren wir im Roman nur nebenbei, wenn bspw. tagelang darüber im TV berichtet wird, der ununterbrochen im Haus angeschaltet ist. In welch einer Klassengesellschaft sich das Leben dort abspielt, wird zudem deutlich im Haushalt spürbar, in welchem das Hausmädchen nur ein "Werkzeug" zu sein scheint. Ganz selbstverständlich für alle Beteiligten.

Der Roman - die Erzählerin Estela - verspricht zu Beginn die Aufklärung des unglückliches Todesfalls der kleinen Julia. Dieses Versprechen ist ein starkes Zugpferd und macht den Roman deshalb sehr soghaft.

Mit dem Ende hadere ich persönlich ein wenig, es ist alles etwas schwammig und unklar. Verschiedene Aspekte treffen aufeinander, es gibt eine Menge an Interpretationsspielraum. Für mich ist es nicht ganz passend gewesen.

Trotzdem habe ich den Roman sehr gern gelesen. Ein Blick in eine andere Kultur und ein Sittengemälde Chiles, verbunden mit einer psychologisch spannend erzählten Geschichte. Empfehlenswert!