Rezension

Charlies Geschichte hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht. Der Einstieg ist nicht leicht, aber es lohnt sich.

Blumen für Algernon - Daniel Keyes

Blumen für Algernon
von Daniel Keyes

Bewertet mit 4 Sternen

Der Klassiker „Blumen für Algernon“ war mir auf der Verlagsseite aufgefallen. Da ich ab und an gerne Klassiker lese und von dem Buch noch nie etwas gehört hatte, war mein Interesse sofort geweckt. Trotz des schwierigen Einstiegs in das Buch konnte mich die traurige Geschichte von Charlie bis zum Schluß fesseln.

Charlie ist ein retardiertes Kind, das in der Entwicklung von geistigen Fähigkeiten zurückgeblieben ist. Von klein auf ist es sein größter Wunsch, intelligent zu werden. Charlie ist ein liebes, ruhiges Kind, das immer allen gefallen möchte. Gleichzeitig leidet er sehr unter seiner Mutter, die keine Geduld und Liebe für ihren Sohn mitbringt. Für sie ist Charlie ein Klotz am Bein und sie schämt sich für ihr zurückgebliebenes Kind. Charlies Mutter ist geradezu besessen davon, dass ihr Sohn irgendwann noch intelligent wird. Dabei schreckt sie vor nichts zurück und schleppt das arme Kind von einem Scharlatan zum nächsten. Dadurch wächst in Charlie der unbändige Wunsch nach Intelligenz. Die Zeit vergeht und Charlies Mutter wird immer unberechenbarer. Sie setzt ihr Kind massiv unter Druck und merkt dabei nicht, dass Charlie immer ängstlicher und verstörter wird. Schließlich eskaliert die häusliche Situation und selbst Jahre später hat Charlie keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Mit knapp über 30 Jahren soll sein Traum dann wahr werden. Wissenschaftlern ist es gelungen, künstlich Intelligenz zu erzeugen, bzw. zu steigern – bei Mäusen. Nach dem erfolgreichen Experiment an der Maus Algernon ist Charlie der erste Mensch, an dem diese Wundermethode getestet werden soll.

Mit dem Einstieg in das Buch habe ich mich etwas schwer getan. Die Geschichte besteht aus einem Erzählstrang und wird aus der Ich-Perspektive in Form von Charlies Berichten nach dem Experiment erzählt. Da Charlie geistig zurückgeblieben ist, sind seine Berichte voller Grammatik- und Rechtschreibfehler, die den Lesefluss stark beeinträchtigen. Es ist sehr mühsam die Berichte zu lesen, da diese über einen längeren Zeitraum fehlerhaft bleiben. Der Sprachstil ist sehr einfach, angepasst an das Denkvermögen eines geistig zurückgebliebenen, jungen Mannes. Auf der einen Seite verleiht dieser Sprachstil dem Buch einen sehr authentischen Charakter, auf der anderen Seite entstehen auf diese Weise aber auch Längen. Der Anfang zieht sich, bis Charlies Rechtschreibung besser wird. Ab diesem Zeitpunkt entfaltet sich das gesamte Potenzial des Buches. Der Schreibstil ist flüssig und Charlies traurige Geschichte konnte mich von da an bis zur letzten Seite gefesseln. Erschreckend finde ich besonders, dass das Buch im Jahr 1977 veröffentlicht wurde und besondere gesellschaftliche Merkmale und Zwänge auch in der heutigen Zeit noch bestehen. Was dieses Thema betrifft, scheint sich bis heute gesellschaftlich nicht viel verändert zu haben. Aus diesem Grund merkt man beim Lesen auch nicht, dass das Buch schon älter ist.

Obwohl Charlie zwanghaft intelligent sein möchte, verspürte er keinen gesellschaftlichen Druck. Für ihn ist die Welt in Ordnung, denn alle Menschen sind nett zu ihm. Erst mit dem Wachsen seiner Intelligenz werden Erinnerungen in ihm wach und er erkennt, dass die Menschen nie mit ihm, sondern über ihn gelacht haben. Auch wird ihm bewusst, was „eine Charlie-Nummer“ abziehen“ bedeutet. Doch diese Dinge sind Vergangenheit und Charlie stürzt sich mit seinem neuen Ich in ein völlig anderes Leben. Schon bald überflügelt sein Geist den der besten Wissenschaftler. Er saugt Wissen und Fremdsprachen in sich auf. Doch sein Triumpf ist nicht von langer Dauer. Die Entwicklung, die Charlie durchmacht, ist sehr erschreckend. Vor dem Experiment war Charlie ein warmherziger und liebenswerter Mensch. Mit wachsender Intelligenz wird er immer egozentrischer und kaltherziger. Gleichzeitig wachsen seine Ängste und beginnen sein Leben zu bestimmen. Launisch und teilweise aggresiv hat Charlie nun auch mit seinem neuen Ich keine Freunde mehr. Letztendlich ist er hoch geflogen, um tief zu fallen. Charlies Werdegang ist sehr traurig und macht nachdenklich. Alles in allem konnte Daniel Keyes mich mit "Blumen für Algernon" auch so viele Jahre nach Erscheinen des Buches noch begeistern.

Fazit: "Blumen für Algernon" ist ein aufrüttelnder Klassiker. Charlies Geschichte hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht. Der Einstieg in das Buch ist nicht leicht, aber es lohnt sich.