Benachteiligung von Frauen in Gesellschaft und Literatur
Bewertet mit 5 Sternen
'Wir verpassen das Beste, wenn wir in unseren Bücherregalen nicht endlich eine Frauenquote einführen.'
Eigentlich bin ich weder für Frauenquoten noch für übertriebenes sog. 'Gendern', aber die Autorin hat mich doch überzeugt, dass es sich im Ganzen um ein nicht leicht zu nehmendes Problem handelt, sondern um eine latent immer noch vorhandene strukturelle Frauenfeindlichkeit (Misogynie), eine 'in einer Kultur historisch gewachsene, tief verankerte Abwertung von Frauen und dem, was sie tun und erschaffen.' (45)
Die Autorin erklärt und begründet ihre Begrifflichkeiten und warum auf dem Cover 'Frauen' durchgestrichen ist. Nach ihrem grundsätzlichen Vorwort und persönlichen Leseerlebnissen führt sie für ihre Thesen Beweise an – Zitate und Zahlen. Ein kleines Beispiel für solche Mechanismen ist die Tatsache, dass bei Rezensionen der von Frauen geschriebenen Bücher oft Außerliterarisches eine Rolle spielt oder dass Frauen ihre Bücher unter Pseudonym veröffentlichen.
Die Abwertung dessen, was Frauen schreiben, hat seit Jahrhunderten Tradition. Es ging schon seit der Antike darum, Frauen in ihre Schranken zu weisen und zum Schweigen zu bringen.
Die Autorin führt auch – in meinen Augen unverschämte - Äußerungen bekannter Männer an, die ich von nun an meiden werde. Man lese nur das Interview mit dem alten Literaturgrantler und urteile selbst:
http://elfriedejelinek.com/andremuller/marcel%20reich-ranicki.html
Dazu gehören für mich auch Harald Martenstein 'Wenn sie an den Schulen demnächst Brecht aussortieren, um Rosamunde Pilcher an seine Stelle zu setzen, wäre das schade...' und Karl Ove Knausgard, der in einem Interview mit der daraufhin sprachlosen Siri Hustvedt bedeutete, dass er Frauen nicht als Konkurrenz ansehe. Nun denn!!
Dieses Buch hat mir jedenfalls die Augen geöffnet und meine diffusen Beobachtungen geordnet und zurecht gerückt. Nicht, dass ich in Zukunft keine Bücher von Männern mehr lesen werde, aber ich nehme mir vor, Büchern von Frauen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sehr positiv: viele kleine Verlage kümmern sich darum, dass die vergessenen Bücher wieder ans Tageslicht gehoben und neu verlegt werden.
Sehr interessant auch das Blog der Autorin Nicole Seifert:
Fazit: ein empfehlenswertes, anregendes, sehr wichtiges Buch.