Rezension

Amy & Matthew

Amy & Matthew - Was ist schon normal? - Cammie McGovern

Amy & Matthew - Was ist schon normal?
von Cammie McGovern

Bewertet mit 4 Sternen

Die 17-järige Amy hat genug. Aufgrund ihrer Krankheit, die es ihr schwer macht mit anderen zu kommunizieren, waren ihre einzigen Freunde bisher immer ihre erwachsenen Betreuer die man ihr zur Seite stellte. Das muss sich ändern und so beschließt sie in ihrem letzten Highschooljahr, das die Betreuer durch Mitschüler ersetzt werden müssen. Sie bittet Matthew, den sie seit der Grundschule beobachtet, sich auf die Stelle zu bewerben. Matthew ist unentschlossen, denn eigentlich hat er schon genug eigene Probleme, doch da er Amy nicht vor den Kopf stoßen möchte, willigt er schließlich ein.

Obwohl Matthew Amy nur einen Tag in der Woche betreuen soll, verbringen die beiden schon bald sehr viel Zeit miteinander und Amy verliebt sich in den sensiblen jungen Mann. Dann aber begeht sie einen großen Fehler, der Matthew tief verletzt. Kann sie die Beziehung zu ihm noch retten ?

Meinung:
Auf das Buch aufmerksam wurde ich durch das Cover, das mir in der Verlagsvorschau direkt ins Auge fiel. Obwohl ich nicht unbedingt eine Freundin von "Pärchen-Cover" bin, fand ich dieses aufgrund der Farbwahl doch sehr ansprechend und durch die Position der beiden Jugendlichen ziemlich witzig. Der Klappentext deutet ganz klar auf einen ungewöhnlichen Young Adult / Coming of Age Roman hin, weshalb das Buch hier unbedingt einziehen musste.

Die Geschichte beginnt gemächlich, man lernt sowohl Matthew als auch Amy erst einmal kennen und bekommt durch die wechselnden Perspektiven einen guten Einblick in ihr Leben und ihre Gedanken. Man erfährt wie es zu dieser Betreuer-Geschichte kam und kann schließlich ins Hier und Jetzt eintauchen und Teil ihrer ungewöhnlichen Freundschaft werden.

Cammie McGovern hat einen sehr angenehm Schreibstil, der für einen schnellen Lesefluß sorgt. Ich hab mich beinahe erschrocken, wie schnell ich am Ende des Buches angelangt war. Nicht immer fand ich die Wendungen in der Geschichte komplett gelungen, aber ich empfand den Plot als Ganzes doch sehr stimmig und größtenteils authentisch. Die Themen, wie Amys Behinderung, Matthews Neurosen, das Abnabeln von den Eltern, die erste große Liebe, das Erwachsenwerden und auf eigenen Beinen stehen, werden von der Autorin sehr sensibel und mit viel Gefühl vermittelt.

Amy ist ein besonderes Mädchen. Die 17-jährige leidet an Zerebralparese. Sie ist halbseitig gelähmt, kann nicht sprechen, bewegt sich manchmal sehr unkoordiniert und kann nicht richtig gehen. Doch sie ist ein helles Köpfchen, sie ist überdurchschnittlich schlau und Dinge die sie über ihren Sprachcomputer nicht ausdrücken kann, bringt sie in wundervoller, beinahe poetischer Form zu Papier.
Sie ist überbehütet und in Watte gepackt aufgewachsen, doch jetzt mit 17 hat sie darauf keine Lust mehr und will endlich "auf eigenen Beinen stehen". Sie will Freunde und Spaß haben, sie will eigene Erfahrungen gewinnen, ihre eigenen Fehler begehen. Sie will ein normales Leben führen und sie will sich verlieben.

Das tut sie, sie verliebt sich. In Matthew. Sehr zum Missfallen ihrer überfürsorglichen Mutter, die ich erst absolut grauenhaft fand, für die ich nach und nach aber ein kleines bisschen Verständnis aufbrachte. Sie hat sich ihr Leben lang um Amy gekümmert und obwohl sie weiß das sie loslassen muss, mischt sie sich dauernd ein und engt ihre Tochter ein. Bei Amy sorgt genau dieses Verhalten dafür, das sie sich auf dumme Dinge einlässt.

Matthew, der unter einer Menge Zwangsneurosen leidet, von denen er denkt, das andere sie nicht bemerken, dem zu viel Nähe suspekt und unangenehm ist, findet in Amy nicht nur eine Freundin, sondern auch er verliebt sich in die schöne, kluge, junge Frau. Trotz der Tatsache, das sie nur am Rollator gehen kann oder beim Essen sabbert. Erstaunlicherweise stören ihn all die Dinge, vor denen er sich normalerweise ekeln oder fürchten würde, an Amy überhaupt nicht. Er nimmt sie kaum wahr und sieht Amy als das was sie ist. Ein junges Mädchen mit großen Träumen und Zielen.

Es entwickelt sich eine sehr innige Beziehung zwischen den beiden, die jedoch nicht über eine Freundschaft hinausgeht, weil sie beide zu schüchtern, zu verunsichert sind, dem anderen ihre Gefühle direkt zu offenbaren und stattdessen dauernd aneinander vorbei reden.
Dann begeht Amy einen Fehler, für den sie eigentlich viel zu schlau ist und mit dem sie Matthew tief verletzt.

Das Ende der Geschichte ist rund und absolut zufriedenstellend. Es ist nicht kitschig und schon gar nicht rosarot, sondern es ist ehrlich und echt und das gefällt mir sehr, denn sowas gibt es leider viel zu selten.

Einen Kritikpunkt habe ich allerdings. Ich bin keine Freundin von Zeitsprüngen und die gibt es in der Geschichte von Amy & Matthew leider ziemlich oft. Es gab die ein oder andere Stelle, an der ich beinahe irritiert war, weil die Autorin einfach unberechenbar eine Woche oder einen Monat weiterspringt. So verging beim Lesen ratzfatz ein Jahr Geschichte und man hat nur die Hälfte miterlebt.

Fazit:
Mit "Amy & Matthew" schafft Cammie McGovern einen wunderbar stimmigen Jugendroman, in dem sie sich sehr einfühlsam mit nicht alltäglichen Teenagerproblemen befasst. Der Roman besticht durch seine absolut liebenwerten Charaktere und seinen authentischen Plot.
Trotz eines kleinen Kritikpunktes: Klare Leseempfehlung meinerseits !

©Ina's Little Bakery