Rezension

Zeugin einer Katastrophe...

Wo Milch und Honig fließen -

Wo Milch und Honig fließen
von C. Pam Zhang

Bewertet mit 5 Sternen

...das ist unsere namenlose Köchin. Inzwischen krank und alt, wird sie von einer ihrer Schülerinnen auf die Ereignisse angesprochen, die damals die ganze Welt veränderten und in den Abgrund reißen wollten. Also erinnert sich unsere Protagonistin an ihr jüngeres Ich. Sie erinnert sich an ihre bedenkenlose Jugend, als sie eine Gourmetköchin werden wollte und dafür in die Welt hinauszog, allein ihr Ziel vor Augen.

Dann aber legte sich eine Smogwolke über die Erde und wollte nicht mehr weichen. Sie erstickte das Wachstum auf den Feldern, eine Hungerkrise erfasste die Welt. Wissenschaftler arbeiteten mit Hochdruck an Pflanzen, die ohne Sonnenlicht eine minimale Ernährung der Bevölkerung garantierten. Die Staaten reagierten mit panischer Abschottung und eifersüchtiger Kontrolle.

Die Weg zurück in ihre Heimat, den USA, ist unserer Protagonistin verschlossen. Sie hat dort einen Schuldenberg hinterlassen, den sie nicht abzahlen kann. Aus der Not heraus bewirbt sie sich als Köchin in eine der wenigen, abgeschotteten, aber dekadenten Kolonien in den Hochtälern, die die Smoggrenze überschreiten, wo die Sonne noch zu sehen ist. Ihr ebenfalls namenloser Boss hat sich ein Refugium in den italienischen Alpen aufgebaut. Dort empfängt er mit seiner Tochter erlesene Gäste. Die Heimatlose soll sie dort bekochen, mit Lebensmitteln, die es sonst nirgendwo mehr gibt, sich aber ansonsten zurückziehen und anonym bleiben.

Wider aller Erwartungen, freunden sich die Tochter Aida und unsere Köchin an. Die Vertrautheit wächst und mit ihr lüften sich auch die Geheimnisse des Berges. Unsere Köchin lernt die ungeheuerlichen Unterschiede zwischen Arm und Reich kennen und lässt sich schließlich vor den Karren eines Planes spannen, den sie erst durchschaut, als alles schon zu spät ist.

Die surrealistisch anmutenden Szenen auf dem Berg, die perfiden Täuschungsmanöver seitens ihres Arbeitgebers, die ausufernden Beschreibungen von Liebe und Speisen, verwirren zunächst das Bild einer nahen Zukunft, die unter dem Klimawandel zusammengebrochen ist, und wo Neid und Not die Gesellschaftsordnungen verändern. Zur literarischen Unordnung von Religiosität, Sinnlichkeit und knallhartem Geschäftgebahren gesellt sich eine unzuverlässige Erzählerin... alles lädt dazu ein, das Buch wegen Verdachts auf schlampige Korrektur und undurchdachten Plots in die Ecke zu pfeffern. Die Katharsis für mein Unbehagen waren dann die Nachwehen des nur ein Jahr dauernden Aufenthalts unserer Bergbewohnerin. Sie verlässt die Kolonie und erkennt schließlich, die Fragilität des Heilsverprechens, die Unmöglichkeit, sich mit Macht und Reichtum von Menscheitsproblemen freikaufen zu wollen und die Eindimensionalität eines vermeintlichen Paradieses.

Pam Zhang hat die Erinnerungen unserer Überlebenden ganz im Licht von Drogenkonsum, Überhöhung, Idealisierung und Verunsicherung einer damals noch jungen Frau stehen gelassen. Sie unterstreicht damit die Authentizität einer Zeugenaussage, die die Frage nach der Mitschuld im Raum stehen lässt.

Eine herausfordernde Lektüre einer dystopischen Welt, die mit beiden Beinen fest im Hier und Jetzt verankert ist.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 08. Februar 2024 um 22:38

Wow - eine perfekte Interpretation, die als Nachwort ins Buch gepasst hätte. Hätt nicht gedacht, dass du auf 5 Sterne kommst.

Emswashed kommentierte am 09. Februar 2024 um 09:44

Doch, doch, das Ende hat es echt rausgerissen. Damit hat mich Zhang quasi überrumpelt.