Rezension

Von Dekadenz und Hybris

Wo Milch und Honig fließen -

Wo Milch und Honig fließen
von C. Pam Zhang

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist speziell, dessen sollte man sich bewusst sein - aber ich mag gnadenlose Satire.

Eingebettet in die Geschichte einer jungen begabten Gourmetköchin, die einen begehrten, aber mit Restriktionen behafteten Job in einer italienischen Berglandschaft erhält, schreibt die Autorin eine bitterböse Gesellschaftssatire, in der es um den Umgang mit Nahrungsmitteln geht, um Genuß, Dekadenz, Dominanz und Hybris.
Peripher geht es freilich um die Rettung der Welt, denn in der abgelegenen Bergregion versuchen ein reicher alleinherrschender Indurstriemagnat und seine Tochter, die Gentechnikerin Aida, ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten aufgrund von DNA-Spuren zu resurrectionieren. Die Täler und Städte sind durch eine dichte Smogdecke lichtabgedeckt, es gibt kaum noch Nahrung. Doch auf dem Berg geht es opulent, dekadent und verschwenderisch zu, ein beliebtes Dessert ist Eiscreme übergossen mit Schildkrötenblut. Erzählt wird aus der Rückblende aus der Sicht der Gourmetköchin.

Der Kommentar und der Leseeindruck:
Der Autorin ist ein beeindruckendes Experiment gelungen. Mit feiner Klinge spießt sie die Gepflogenheiten der Superreichen auf. Wie sie prassen und exotischen Genüssen frönen, während andere Menschen hungern. Und gleichzeitig wird die gourmetsche Lebensweise verteidigt. Der normale Plebs habe doch gar keine Zunge für solche Genüsse. Das Experiment liegt in der Art, wie die Autorin ihre Erzählung anordnet, in die Art, wie sie ihre Kritik anhand des Grundlegendsten überhaupt verpackt, ins Essen. Essen ist Leben. Aber Essen kann mehr sein. Ich denke an die vielen Kochsendungen heutzutage - auch dort findet eine Überhöhung des bloßes Vorgangs der Essenszubereitung statt!

Es macht Spaß, die Autorin ihre Klinge führen zu sehen, gnadenlos und unbarmherzig ist sie dabei, vieles von dem, was sie durch das Romangeschehen nur indirekt anprangert, ist bereits verwirklicht:, die Reichen leben abgeschottet in ihrer Blase, in überbordender Dekadenz und Fülle. Auch ist ihnen eine spezielle Hybris zu eigen, ob es Elton Musk ist mit seinem Weltraumtourismus oder Bill Gates mit seinen Stiftungen oder viele andere, die Superreichen behalten sich vor, ihren eigenen Traum von der Weltenrettung zu finanzieren und zu leben; selbstverständlich auf Kosten der Allgemeinheit. Geht ja nicht anders, wie die Autorin ihre Protagonisten immer wieder neu erklären lässt. Und sie wissen es natürlich besser als alle anderen. Ich mag diesen Zynismus und auch die Bilder, die die Autorin vor meine Augen malt: sie treibt es auf die Spitze und ich amüsiere mich großartig. Dafür nehme ich ein paar Ungereimtheiten in der Erzählung in Kauf und auch die exzentrische dominanzgeprägte Ausformung einer lesbischen Liebe ist ja nur ein Beispiel für das Ausleben jeder Extravanz in gewissen Kreisen. Ich hätte sie allerdings nicht gebraucht. Schwamm drüber.

Fazit: Eine Dystopie, die eigentlich keine ist und den Umgang mit Nahrungsmitteln aufs Korn nimmt, sowie die Hybris und Dekadenz der Superreichen an die Wand nagelt, wenn nicht ans Kreuz. Sprachlich top. 

Kategorie: Dystopische Satire.
Verlag: S. Fischer, 2024

Kommentare

Emswashed kommentierte am 09. Februar 2024 um 15:21

Du kommst ja auch auf 5 Sterne, aber, wie ich finde, völlig zu recht. Du stellst das Essen in den Mittelpunkt und das entspricht dem Buch viel mehr, als meine Interpretation.

wandagreen kommentierte am 10. Februar 2024 um 08:53

Bei mir - 5 Punkte trotz des Endes. Bei dir - 5 Punkte wegen des Endes. Strange.

Emswashed kommentierte am 10. Februar 2024 um 13:18

Oui!