Rezension

** Wir schreiben das Jahr 2061 **

Noch lange danach - Gudrun Pausewang

Noch lange danach
von Gudrun Pausewang

Bewertet mit 3 Sternen

Vielleicht kennen einige Leser die Autorin Gudrun Pausewang bereits. Mit ihrem Roman, der letztendlich auch verfilmt wurde und den Titel „Die Wolke“ trägt, machte sie sich einen Namen. Sie ist bekannt dafür, sich für Atomenergie und deren katastrophale Auswirkungen zu interessieren und scheut sich nicht, offen ihre Bedenken und ihre Ablehnung gegen diese Art der Energieerzeugung kund zu tun. Auch in diesem Buch mit dem Titel „Noch lange danach“ beschreibt sie ein Szenario, wie es im schlimmsten Fall eintreffen könnte.

 

Die 16-jährige Vida lebt mit ihrer Mutter zusammen in einer kleinen, spärlich eingerichteten Wohnung in einem der wenigen noch bewohnbaren Teile Deutschland. „Kaum bewohnbarer Teil Deutschlands“, weil es vor rund 40 Jahren zu einem Unfall in einem Atomkraftwerk kam. Nur zwei Jahre, bevor das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden sollte, geschah das Unglück. Die Nachwehen sind noch heute – im Jahr 2061 – deutlich zu spüren: Viele Kinder haben ihre Eltern verloren, viele Kinder sind selber ständig krank, bzw. sterben früh an Krebs. Die Lebensmittel sind knapp und viele Artikel, die zum Zeitpunkt des Zwischenfalls noch ganz normal waren, sind heute reiner Luxus. Vida verfügt, wie viele andere Menschen in Deutschland auch, lediglich über eine Handvoll Kleidungsstücke. Strom und Wasser sind ebenfalls Luxus und werden nur mit äußerster Bedacht verwendet.

 

Aufgrund der schlimmen Ereignisse der Vergangenheit ist Vidas Mutter depressiv und nicht im Stande, für sich oder ihre Tochter zu sorgen. So musste Vida früh lernen, Verantwortung zu übernehmen und Haushalt, sowie Pflege der Mutter zu übernehmen. Das Mädchen kennt die Zeit im „Davor“ lediglich aus den Erzählungen ihrer Oma, die vor wenigen Jahren verstorben ist. Unvorstellbar für Vida, dass es vor rund 40 Jahren normal gewesen sein soll, nach Lust und Laune einkaufen gehen zu können. Auch ist es für sie unvorstellbar, dass die meisten Menschen damals lange gesund blieben und erst im hohen Alter verstarben.

 

Als eine Gruppe Studenten einer deutschen Schule in Chile auf Europareise ist, möchten diese gerne ein Interview mit einer Schülerin, die über das Leben in Deutschland berichten kann. Vida erzählt sowohl von dem „Jetzt“ – sprich, von ihrem Alltag – als auch vom „Davor“, welches sie aus Erzählungen ihrer Oma kennt.

 

„Noch lange danach“ ist in einer besonderen Form geschrieben: Vida berichtet aus ihrer Sicht, beantwortet Fragen, oder erzählt einfach, was ihr gerade so einfällt. Das Ungewöhnliche daran ist jedoch, dass man als Leser nicht sieht, bzw. lesen kann, was die ausländischen Studenten fragen. So beginnen Abschnitte beispielsweise mit Passagen wie:

 

„Langsam, langsam – eine Frage nach der Anderen! Was mit „davor“ gemeint ist? Das weiß doch jeder: vor der Katastrophe! Und „danach“ ist eben nach der Katastrophe!“

 

Für mich persönlich war dieser Schreibstil ein wenig gewöhnungsbedürftig, jedoch weckte er meiner Meinung nach auch wiederum die Aufmerksamkeit. Man darf schließlich nicht vergessen, dass es sich hierbei um ein Jugendbuch handelt, welches sich um ein nicht gerade einfaches Thema handelt. Durch die gegebenen Antworten muss man beim Lesen immer bei der Sache sein, um den Zusammenhang zwischen Antworten und vermeintlichen Fragen zu ziehen.

 

Ansonsten hatte ich das Gefühl, dass die Erzählungen von Vida sehr trostlos und niederschmetternd wirkten. Lachen und Spaß haben ist eine Seltenheit für die 16-jährige. Aber auch materielle Dinge, wie sie heutzutage normal sind, sind ihr gänzlich fremd oder aufgrund finanzieller Engpässe so weit entfernt, dass sie nicht einmal davon zu träumen wagt. So besitzt Vida beispielsweise nur 3 T-Shirts, wovon ihr eins zu eng ist und eins total verwaschen ist. Geld für neue Kleidung hat sie nicht, denn Nahrung ist wichtiger und das Geld mehr als knapp. Auch Freunde hat das Mädchen kaum, denn sie muss sich ja ständig um ihre depressive Mutter kümmern.

 

Trotz allem hat Vida noch einen Funken Hoffnung, dass sie irgendwann in ein besseres Leben starten kann. Dass sie in einem Land leben kann, welches nicht von Armut und den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe gekennzeichnet ist. Sie träumt sogar davon, irgendwann einmal als Journalistin zu arbeiten. Irgendwann…

 

Ein auf der einen Seite sehr ruhiger und trostloser Roman, auf der anderen Seite ein interessantes Buch, welches aufzeigt, welche Auswirkungen die Atomkraft haben könnte. Die Autorin zeigt den Lesern, dass auch ein Atomausstieg im Jahr 2020 zu spät sein könnte und welche weitreichenden Folgen ein Unfall haben könnte. Das Buch regt definitiv zum Nachdenken an, jedoch wirkte es nicht sonderlich fesselnd, spannend oder actiongeladen, wie man es bei einem Jugendbuch vielleicht eher erwarten würde. Natürlich ist dies ein ernstes Thema und das Mädchen hat auch kaum einen Grund um glücklich zu sein, jedoch ist das „Dahinplätschern“ der Geschichte ein wenig ernüchternd.

 

Mein Stiefsohn liest eigentlich gar nicht gerne. Er war jedoch positiv überrascht, wie einfach und schnell sich „Noch lange danach“ las. Das Buch ist recht dünn, weißt eine große Schriftgröße auf und beinhaltet zudem einige leere Seiten/Seitenabschnitte. Insofern ist die Leseempfehlung ab 14 Jahren vielleicht sogar ein bisschen zu hoch angesetzt. Er war ebenfalls der Meinung, dass sich die Geschichte ein wenig zog, bzw. dass zu wenig spannende Dinge passierten. Zwar war es auch für ihn interessant zu lesen, welche Auswirkungen ein atomarer Zwischenfall für Deutschland bedeuten könnte, jedoch zog die triste Stimmung der Protagonistin ein wenig herunter.