Rezension

Gute Thematik, schlechte Umsetzung

Noch lange danach - Gudrun Pausewang

Noch lange danach
von Gudrun Pausewang

Bewertet mit 2.5 Sternen

Gudrun Pausewang war mir spätestens seit “Die Wolke” ein Begriff. Nachdem ich dieses Werk geradezu verschlungen und für gut befunden habe, wollte ich noch weitere Werke von der Autorin lesen. Ich habe gehofft, dass “Noch lange danach” gut zu mir passen könnte, da es auch dabei wieder um das Thema Atomkraftwerke und deren Folgen geht, doch leider hat mir das Buch nicht annähernd so gut gefallen, wie ich es erhofft habe.

“Noch lange danach” liest sich wie ein Interview, allerdings liest man dabei nur die Antworten, aber nicht die Fragen. Dies ist jedoch nicht weiter schlimm, da die Antworten oftmals so präzise sind, sodass man direkt weiß, welche Frage gestellt wurde. An sich fand ich den Stil sehr interessant, doch leider war der Inhalt der Knackpunkt, denn dieser konnte mich nicht überzeugen.

Natürlich, Atomkraftwerke sind gewiss nicht positiv anzusehen und durch Unfälle in Tschernobyl, Fukushima und Harrisburg ist die Gefahr quasi immer vor Augen, aber was hier beschrieben wird, ist mir doch eine Spur zu viel gewesen, denn die Mitleidsschiene, die die Protagonistin hier fährt, hat leider nicht dafür gesorgt, dass ich mit ihr mitfühlen konnte.

An sich ist die sechzehnjährige Vida ein nettes Mädchen, allerdings beschreibt sie die Dinge so überspitzt, dass ich stellenweise nur mit dem Kopf schütteln konnte. Sie beschreibt Studenten aus anderen Ländern ihr Leben nach einer Atomkatastrophe in Deutschland. Viele Teile des Landes sind nicht mehr bewohnbar, es gibt sehr viele Arbeitslose, viele Menschen sind ausgewandert und die meisten Menschen leben nur noch in Städten, die nicht unbedingt sicher sind, sei es durch Plünderungen oder Krankheiten. Vida erzählt von ihrer depressiven Mutter, die sich selbst zum Essen zwingen muss, von ihrer Großmutter, die bei der Katastrophe auf der Flucht war und über ihren Vater, der die Familie verlassen hat, um in Südamerika neu anzufangen. An sich ganz interessant, allerdings empfand ich Vida ein wenig aufdringlich, indem sie z.B. immer wieder davon berichtet, dass sie nur vier T-Shirts besitzt, die fast alle nicht mehr passen und sie nur zwei Hosen hat. Es wirkt so, als würde sie ihr persönliches Schicksal über der Katastrophe stellen, was nicht Sinn der Sache ist.

Gudrun Pausewang hat ein großes Interesse am Thema Atomkraft und ist eine bekannte Gegnerin der Werke, was ich nur gutheißen kann, allerdings empfand ich das Buch ein wenig zu überspitzt dargestellt und man spürt quasi auf jeder Seite den erhobenen Zeigefinger, was mich ein wenig gestört hat. An sich ist die Situation in Deutschland mit Sicherheit authentisch, wie sie hier beschrieben wurde, allerdings stört mich dabei ein wenig, wie mit dem Tod, der Katastrophe und eigene Schicksale umgegangen wird.

Auch der Schreibstil hat ein bisschen gelitten, was ich mehr als schade finde, denn Gudrun Pausewang kann definitiv sehr gut schreiben. Allerdings gibt es in diesem Buch viel zu viele Wiederholungen, die nicht hätten sein müssen. So fangen viele Sätze mit “Meine Omi sagte/meinte/wusste…” an, was auf Dauer etwas unangenehm wirkte.

Interessant ist dagegen, wie die Langzeitfolgen für und in Deutschland beschrieben werden. Einige Menschen haben das große Glück, dass sie nicht erkrankt sind, während andere Familien auch vierzig Jahre nach dem Super-GAU immer noch Verluste hinnehmen müssen, da Kinder mit vielen Missbildungen und Krankheiten auf die Welt kommen. Viele Kinder fehlen in der Schule, da sie nicht mehr die Kraft haben, um am Unterricht teilzunehmen. Eltern und Großeltern erinnern sich immer wieder an die Katastrophe und können im sogenannten “Danach” (so wird die Zeit nach der Katastrophe genannt) einfach keinen Anschluss finden.

Insgesamt ist “Noch lange danach” für mich eine Enttäuschung gewesen. Ich war mir der Situation durchaus bewusst, die in dem Buch beschrieben wird, doch leider hat mir die Umsetzung nicht zugesagt. Dazu kommt eine Protagonistin, die mich ebenfalls nicht überzeugen konnte. Sehr schade, denn Frau Pausewang kann es definitiv besser. Als Schullektüre wäre das Buch für mich vor ein paar Jahren mit Sicherheit mehr überzeugt, jetzt leider nicht mehr. Schade!