Rezension

Wie Sonne und Schatten

Mary & Claire -

Mary & Claire
von Markus Orths

Bewertet mit 5 Sternen

Wer sich wie ich schon einmal gefragt hat, wie Mary Shelley dazu kam, sich eine Kreatur wie Frankenstein auszudenken, wird in diesem Roman einige Antworten finden. Markus Orths erzählt vom Leben der englischen Schriftstellerin, das vom Tod geliebter Menschen geprägt war, angefangen mit ihrer Mutter, die im Kindbett starb, bis hin zu vielen weiteren Schicksalsschlägen.

Wie der Titel verrät, geht es jedoch noch um eine zweite Person: Claire Clairmont ist wild und theatralisch, ganz anders als die melancholische Mary, die viel Zeit auf Friedhöfen verbringt und mit den Toten spricht –  sie sind wie Sonne und Schatten. Doch zwei Dinge haben die Stiefschwestern gemeinsam: die Liebe zum Schreiben und zu dem Dichter Percy Shelley. Dass die starke Bindung und zugleich Rivalität zwischen den beiden – auch aus Percys Perspektive – im Mittelpunkt der Geschichte steht, macht für mich den besonderen Reiz aus. So entflieht das Dreiergespann Mary & Claire & Percy dem konventionellen Leben in London und bricht zu einer Reise nach Paris und Luzern auf, um die freie Liebe zu zelebrieren. Später gesellt sich noch Lord Byron dazu – ein derart egozentrischer und überheblicher Zeitgenosse, dass mir Claires Hingabe schleierhaft blieb.

So wie die Literaturbegeisterten in diesem Roman Verse ihrer Vorbilder in sich aufsaugen, habe auch ich diese Geschichte verschlungen und mich mitreißen lassen von den leidenschaftlichen und rebellischen Protagonisten, ihren freud- und leidvollen Abenteuern und dem erzählerischen Feuerwerk. Die mutigen Schriftstellerinnen Mary & Claire, die ihrer Zeit voraus waren, werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.