Rezension

Wenn die Auflösung nicht so platt gewesen wäre, hätte das Buch mehr Punkte bekommen ...

In deinem Licht und Schatten - Louisa Reid

In deinem Licht und Schatten
von Louisa Reid

Bewertet mit 4 Sternen

Erste Zeilen: Sie haben mich gezwungen, heute zur Beerdigung meiner Schwester zu gehen. Irgendwann musste ich nachgeben.
Eye-Candy: Das Cover ist düster und traurig gehalten, das passt gut zur Geschichte. Irgendwie hätte mir eine Zwillingsthematik fast besser gefallen, aber ich will nicht meckern.
Inhalt: Eine untypische Zwillingsgeschichte, die dramatische Züge aufweist und keine leichte Lektüre für zwischendurch ist. Es geht Unteranderem um häusliche Gewalt, Krankheit und das Grauen, das unter der Oberfläche des alltäglichen Lebens lauert.
Meine Meinung: Auf dieses Buch habe ich mich sehr gefreut. Es klang wirklich vielversprechend und tiefsinnig. Die Leseprobe hat mir auch sofort zugesagt, daher bin ich mit ziemlich hohen Erwartungen an das Buch herangegangen. 
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Rebecca, der "hässlichen" Schwester erzählt. Allerdings wird auch aus der Sicht von Hephzibah erzählt, von der man von Anfang an weiß, dass sie sterben wird, bzw. gestorben ist. Die Handlung spielt in der Zukunft und gleichzeitig in der Vergangenheit, wodurch die Hintergründe aufgeklärt und Spannung aufgebaut werden.
Nicht nur äußerlich, auch innerlich sind die beiden Mädchen sehr verschieden. Sehr traurig war es für mich mitzuerleben, wie Rebecca immer wieder von allen auf ihre Äußerlichkeit reduziert wird. Dennoch schafft sie es stark unter Umständen zu sein, unter denen so manch einer zerbrechen und zugrunde gehen würde. Ihre charakterliche Entwicklung war sehr spannend mitzuverfolgen.
So sehr ich Rebecca mochte, desto weniger mochte ich die "hübsche" Schwester, die von allen nur hört, wie hübsch und toll sie eigentlich ist. Blauäugig geht sie in die Welt hinaus und denkt, dass sie mit allem durchkommen kann, weil sie wunderschön ist. Dass dies nicht der Fall ist, wird schon auf den ersten Seiten klar. Bis zum Schluss war Hephzibah mit ihrer Naivität und ihrer Arroganz eine Zumutung, sodass ich sie gerne mal geschüttelt hätte, damit sie endlich anfängt zu denken.
Das Buch lebt von seiner subtilen Spannung. Man fragt sich, wann und ob die Mädchen den Ausbruch aus ihrer verzwickten Lage schaffen und ob sie vom gewaltbereiten Vater und der herzlosen Mutter loskommen. 
Bis zum letzten Drittel hat mir das Buch sehr gut gefallen, ab da wurden seine Schwächen mir immer bewusster, sodass der Lesespaß sich zurückgehalten hat. Die Ursache für Hephzibahs Tod und die Tatsache, dass man sie eigentlich retten könnte, haben mir nicht gefallen. Ihr Tod fühlt sich zu gewollt an, aber mit dieser Meinung könnte ich auch alleine dastehen. 
Ein anderer Punkt, der mir zu schaffen gemacht hat, ist die Auflösung der Geschichte. Die Hauptknackpunkte werden dem Leser auf einem silbernen Tablett präsentiert und es wird verlangt, dass der Leser sie sich ihrer annimmt. An sich nicht sehr schlimm, aber dadurch, dass im gesamten Verlauf der Geschichte kein einziger Hinweis auf diese Auflösung hindeutet, ist das nicht gerade die feine englische Art.
Die Schreibweise ist flüssig und nüchtern. Auf Metaphern und ausschweifende Beschreibungen wird größtenteils verzichtet, dadurch wirkt die Atmosphäre etwas unterkühlt, was aber nur gewollt sein kann. Dennoch wird der Leser in den Bann der Geschichte gezogen und kann kaum aufhören zu lesen.
In der Kürze liegt die Würze: sensible Herangehensweise; unterschiedliche Charaktere, die nicht alle gleich gut ausgebaut sind; spannende Handlung; ein realistisches Ende
Bewertung: Wenn die Auflösung nicht so platt gewesen wäre, hätte das Buch mehr Punkte bekommen, aber etwas habe ich mich doch darüber geärgert, dass es sich die Autorin zu leicht gemacht hat, somit ♥♥♥♥ Herzchen.