Rezension

Weiden an menschlichen Tragödien!

Glaube der Lüge - Elizabeth George

Glaube der Lüge
von Elizabeth George

Bewertet mit 2.5 Sternen

100 Seiten Krimi + 600 sozialkritisches Familiendrama = 700 Seiten Elizabeth George

In einem Krimi ermittelt ein Polizist oder Privatdetektiv, vielleicht auch eine Privatperson, ein Gerichtsmediziner, ein Priester oder meinetwegen auch der liebe Gott persönlich in einem Fall. So dachte ich jedenfalls immer. Nicht aber bei Elizabeth George. Zwar gibt es einen Polizisten, sogar mehrere, um die sich diese Reihe auch ursprünglich mal gedreht hat, aber schon die Frage ob es einen Fall gibt bleibt lange offen.  

In diesem 700-Seiten-Wälzer wird minutiös das Leben aller Beteiligten bis ins letzte Detail erläutert. Und das es sich bei diesen Beteiligten quasi ausnahmslos um Menschen mit einer Wagenladung persönlicher Probleme handelt, passt in das Schema, dass die Autorin zu verfolgen scheint, seit sie die Ehefrau des Ermittlers in Band 13 völlig unnötiger Weise hat ums Leben kommen lassen. Es drängt sich einem der Veracht auf ihr seien die Ideen bezüglich der Entwicklung ihrer Charaktere Abhanden gekommen, was sie durch ein Übermaß an seelischen Problemen aller Akteure zu kompensieren versucht. Das reicht von Alkoholismus über Drogensucht, verzweifeltem Kinderwunsch, Homosexualität, Transsexualität, Kinderpornographie bis zu körperlichen Behinderungen, Altersdemenz, Suizid, neuen Beziehungen von Expartnern, die immer noch zusammen wohnen, einer Mutter die nichts unversucht lässt ihren Sohn zu verkuppeln und Flucht vor der eigenen Vergangenheit. Selbstverständlich sind aber auch Ehebruch, uneheliche Kinder, Kindesentführung, vorgetäuschte Beziehungen und Jobsorgen vertreten. Gewürzt ist diese Mischung mit Gier, Egoismus, Eifersucht und Verzweiflung, die an Paranoia grenzt. Und das alles in diesem einen Band! Es gibt Nebenhandlungen ohne Ende. Was das alles mit dem Fall zu tun hat? 95% davon rein gar nichts! Es zeigt nur, dass die Autorin anscheinend verlernt hat sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und das sollten in einem Krimi die Ermittlungen zu einem Verbrechen sein. Ein bisschen „drum rum“ ist ja ganz nett und aufschlussreich, aber hier war es eindeutig des Guten zu viel. Denn wenn die Protagonisten einer Buchreihe eher noch als Randfiguren denn als Hauptakteure zu interpretieren sind und ein Band einer Krimireihe nur noch schwer als Krimi erkennbar, dann ist nach meiner Ansicht irgendetwas schief gelaufen.

Dass zu allem Überfluss einige Akteure, die bisher als intelligente Menschen dargestellt wurden, auch noch in zum Teil abstruse Handlungsweisen verfallen, trägt nicht wirklich zu einem positiven Gesamteindruck bei.

Wer ein sozialkritisches Buch über eine Familie voller zerrütteter Charaktere mit einer ganzen Sammlung persönlicher Probleme sucht, ist hier genau richtig. Denn in großen Teilen ist das Buch durchaus gut geschrieben und besitz sogar einen gewissen Spannungswert. Wer allerdings einen „Inspector-Lynley-Krimi“ à la „Gott schütze dieses Haus“ oder „Auf Ehre und Gewissen“ erwartet, wird hier die pure Enttäuschung erleben.