Rezension

Vienesse Weed

Das giftige Glück -

Das giftige Glück
von Gudrun Lerchbaum

Bewertet mit 5 Sternen

Seit Januar 2022 ist in Österreich ein Gesetz für die Beihilfe zum Suizid in Kraft getreten, das schwer bzw. unheilbar Kranken den Zugang zu Medikamenten garantiert, mit denen sie ihrem Leiden ein Ende setzen können. Das muss aber immer legal und von Medizinern abgesegnet sein. Aber was wäre, wenn plötzlich eine für alle Sterbewilligen offene Möglichkeit bestünde, diesen Weg durch die Instanzen umgehen zu können? Passender hätte der neue Roman „Das giftige Glück“ von Gudrun Lerchbaum nicht erscheinen können, ein Roman, der sich nicht nur mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Wien im Frühjahr, die Pandemie ist endlich abgehakt, überall grünt es und über den Wäldern und Parks der Metropole liegt der Duft von Bärlauch. Nach Monaten des Eingesperrtseins ein Neuanfang. Die Menschen strömen in die Natur, sammeln die lanzettförmigen Blätter, nicht wissend, dass die Pflanzen von einem Pilz befallen sind, der bei Genuss tödlich wirkt.

Zuerst sterben die Menschen versehentlich, aber nicht, wie so oft bei giftigen Substanzen, unter unbeschreiblichen Qualen. Nein, die letzten Minuten ihres Lebens sind sie entspannt und voller Freude, denn beschert einen schmerzfreien Tod, der mit offenen Armen empfangen wird. Diese Information macht schnell die Runde und eröffnet Möglichkeiten, nicht nur für kranke Menschen sondern auch für solche, die nichts Gutes mit Vienesse Weed, wie es mittlerweile genannt wird, im Sinn haben. Natürlich ruft das die staatlichen Organe auf den Plan. Der Zutritt zu den Wäldern und Parks wird verboten, das Sammeln unter Strafe gestellt und die städtischen Gärtner mobilisiert, damit sie die Pflanzen vernichten.

Es sind viele Themen, die dieser Roman behandelt. Es geht um selbstbestimmtes Leben und Sterben, um Freundschaft und Liebe, um Sterbehilfe, um Verantwortung gegenüber den Mitmenschen, um Einschränkungen der persönlichen Freiheit, um unseriöse Medienberichte und Verschwörungstheorien, um die Kontrolle der Natur durch den Menschen. Viele moralphilosophische Fragen, deren Beantwortung allerdings nicht auf einem Tablett serviert wird, die man aber durchaus auch im Kontext der aktuellen Pandemie stellen darf, wobei die Autorin die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten im Blick behält, uns nebenbei mit naturwissenschaftlichen Fakten versorgt und zum Nachdenken anregt.

Das mag sich jetzt trockener anhören, als es tatsächlich ist. Im Gegenteil, denn da gibt es auch noch diesen Handlungsstrang, der all diese Aspekte auf eine persönliche Ebene herunterbricht. Olga, die an Multipler Sklerose leidet und sterben möchte, ihre Freundin Kiki, die sie pflegt und ihr dabei helfen soll, und Jasse, die Jugendliche mit Problemen, die eher zufällig mit den beiden Frauen in Kontakt kommt. Nicht zu vergessen der ungewöhnliche Mordfall. Es sind diese ständigen Perspektivwechsel und die humorvollen, teils bissigen Dialoge, die Abwechslung bieten und die Handlung lebendig und spannend gestalten.

Von mir gibt es dafür eine klare Leseempfehlung!