Rezension

Viel Diversität und Neurodiversität, aber wenig Handwerk

Die Bücherjägerin -

Die Bücherjägerin
von Elisabeth Beer

Bewertet mit 3 Sternen

Sarah arbeitet als Restauratorin und hat in ihrem  Beruf einen Masterabschluss. Sie und ihre Schwester Milena sind nach dem Tod der Eltern bei ihrer Tante Amalia aufgewachsen, die in einer riesigen, verkramten Villa  ebenfalls als Restauratorin, Antiquitätenhändlerin und Antiquarin arbeitet. Amalias für die Nichten überraschender Tod trifft Sarah besonders hart, weil sie ein Problem aus dem Autismus-Spektrum hat und Amalia ihr als Dolmetscherin zur anstrengenden Welt außerhalb der Villa zur Seite gestanden hat. Sarah übernimmt Geschäft, Werkstatt und Amalias Schulden, Milena lebt längst nicht mehr im Haus. Ob Sarah ohne Amalias Unterstützung das Geschäft weiterführen kann, ist noch fraglich. Als ein sehr adretter, sehr liebenswürdiger britischer Bibliothekar vor der Tür steht, muss Sahra sich einem (weiteren) Geheimnis Amalias stellen. Mr Benjamin Ballantyne war als Vertreter der British Library von Amalia ein Segment einer wertvollen illustrierten Rollkarte von 1507 angeboten worden. Da die Karte das römische Straßennetz in Mitteleuropa abbildet, schon damals extrem wertvoll – und heute eine Sensation. Auf der Suche nach dem unbekannten Zwölftel begeben sich Benjamin und Sarah auf eine Reise, die sie von Köln nach Frankreich zu einem Gefährten Amalias und schließlich nach England führen wird.

Sarah als Icherzählerin fügt wiederholt Rückblenden ein, so dass - sehr weitschweifig - die Vorgeschichte der Schwestern verständlich wird und besonders Sarahs Neurodiversität. Auch Ben erhält Gelegenheit, seine Vorgeschichte als dunkelhäutiger Brite zu erzählen, die unübersehbar bis heute sein Verhalten prägt.

Vom Titel „Die Bücherjägerin“ hatte ich mich hier verführen lassen und einen Roman erwartet, der auch die berufliche Persönlichkeit seiner Protagonistin zeigt. Was macht Sarah aus, wie steht sie zur kaufmännischen Seite des Restaurierens, welche beruflichen Netzwerke übernimmt sie von Amalia, wie ist ihr Händchen für Materialien. Nach gefühlt hunderten von Seiten hatte ich zwar alles über Sarahs Eigenheiten erfahren, aber kaum etwas über ihr Berufs-Ich. Circa in der Mitte des Textes zweifelte ich daran, ob Sarah wirklich „Die Bücherjägerin“ ist und nicht eher Amalia die Hauptfigur. Von der spannenden reinen Jagd nach der Landkarte lenken leider zu viele ausufernde Nebenthemen ab (Neurodiversität, Feminismus, Alleinverdiener-Ehe, Rassismus), die mir absolut keine neue Sichtweise auf lange Bekanntes vermitteln konnten. Da neurodiverse Figuren in der Literatur nichts Neues sind, sollten Autor:innen ihre Leser:innen nicht für belehrungsbedürftig halten.