Rezension

Überzeugende Idee, ausbaufähig in der Umsetzung

Genuine Madness -

Genuine Madness
von Tobias Miller

Bewertet mit 3 Sternen

„Genuine Madness“ von Tobias Miller ist ein Wissenschafts- und Science-Fiction-Thriller mit einer überzeugenden Prämisse und interessantem Worldbuilding. Sprachlich und handwerklich bleibt das Buch allerdings leider etwas hinter seinem Potenzial zurück, birgt aber trotzdem spannende Lesestunden.

 

In den Vereinigten Staaten der Zukunft hat sich eine ganz neue Art von Zwei-Klassen-Gesellschaft herausgebildet: Die Bevölkerung wird unterteilt in die intelligenten Smarts und die weniger intelligenten Lames, was durch einen einzigen IQ-Test in der Grundschule lebenslänglich und unveränderlich festgelegt wird. Smarts stehen alle Möglichkeiten und der Zugang zu höherer Bildung offen, Lames hingegen schlagen sich mit wenig angesehenen, aber notwendigen Tätigkeiten durch und können weder auf sozialen Aufstieg noch auf simple Zugeständnisse wie anständige medizinische Versorgung oder die Gewährung eines Kredits hoffen. In diese Welt wird John geboren und hat das Pech, sich am Tag seines IQ-Tests vor Nervosität kaum konzentrieren zu können. Er wird als Lame eingestuft, dabei sitzt ein kluger Kopf auf seinen Schultern, der sich etwa ohne Schwierigkeiten eine Fremdsprache beibringen kann. Als ihm zehn Jahre später das Angebot unterbreitet wird, an einer experimentellen Studie zu einer Droge teilzunehmen, die seine Hirnleistung auf die eines Smarts hochzufahren verspricht, zögert er nicht lange. Angekommen in der Großstadt und im Leben eines Medizinstudenten, werden ihm die Ungerechtigkeiten des Systems und die Risiken seines scheinbaren Auswegs schnell bewusst. Bald stellt er fest, dass er sich zur Verwirklichung seines Traums mit gefährlichen Leuten eingelassen hat.

 

Tobias Millers Romanidee ist absolut originell, durchdacht und clever. Er schildert ein unfaires System, das auf die Spitze getrieben wurde, in seinen Ansätzen aber im Leistungsdenken der modernen Gesellschaft bereits fest verankert ist. „Genuine Madness“ wirft Fragen auf, die nicht nur in der fernen Zukunft Relevanz besitzen: Welchen Einfluss hat unsere Herkunft auf unsere Erfolgsaussichten? Wie viel Solidarität braucht eine Gesellschaft? Wie viel Selbstoptimierung ist gut für uns? Leider krankt diese an sich hervorragende Idee an einer oft holprigen Ausdrucksweise, blassen und wenig nachvollziehbaren Charakteren und einer gewissen Emotionslosigkeit gegenüber extremen Themen wie sexueller Gewalt. Hier bleibt meist eine große Distanz zu mir als Leserin bestehen, die dafür sorgt, dass ich mit den Charakteren nicht wirklich mitfühlen kann. So überzeugend das Setting auch ist, die Geschichte kann doch nie so richtig mitreißen. Das kann auch die originelle Prämisse nicht vollständig kompensieren.

 

„Genuine Madness“ ist ein absolut vielversprechendes Buch, dem es jedoch noch etwas am Schreibhandwerklichen mangelt. Wenn der Autor dieses Potenzial noch weiter ausschöpft, kann man sicher mit Vorfreude weiteren spannenden Romanen mit cleveren, gut recherchierten Ideen entgegenblicken.