Rezension

Überraschende Entwicklungen

Someone New - Laura Kneidl

Someone New
von Laura Kneidl

Bewertet mit 4 Sternen

In meinen Augen war „Someone New“ mit seiner Ankündigung das meist erwartete NA-Buch der deutschen Geschichte, oder? Dieses wunderschöne Cover wurde uns präsentiert und alle hatten direkt ganz viel Liebe für Micah und Julian übrig, obwohl sie noch keiner kannte. Die Wartezeit war ewig lang, als aber die ersten Vorableser erste Eindrücke abgaben, wurde es noch schlimmer, da sie immer davon sprachen, wie wichtig dieses Buch doch ist. Das weckte bei mir natürlich die Frage: um was geht es? Nun gibt es endlich Antworten und ich muss sagen, damit hätte ich nicht gerechnet, Hut ab!

Laura Kneidl ist eine tolle Erzählerin, wovon ich mich schon in ihrer ersten Dilogie und auch in ihren Fantasywerken überzeugen durfte. Daher war ich ehrlich gesagt etwas erstaunt, wie schwer mir der Einstieg in die Geschichte fiel. Das war natürlich besonders fies, weil ich mich so unheimlich auf diese Lektüre gefreut hatte. Während ich die erste Begegnung von Micah und Julian in einer vorab gelesenen Leseprobe noch richtig gefeiert hatte, weil da direkt so ein Funkensprühen zu spüren war, wollte es im Weiteren mit mir und den beiden nicht richtig klappen. Das liegt vor allem an den jeweiligen Figuren, was dann natürlich auch ihre Interaktion beeinflusst hat.

Ich fand es gut, dass Micah eine sehr selbstbewusste junge Frau ist, die auch mit ihrer Sexualität im Reinen ist, da so ein guter Kontrast zu Sage geschaffen worden ist. Dennoch hat ihre Unverblümtheit einiges von der körperlichen Spannung zwischen den beiden weggenommen, weil es eben alles schon so selbstverständlich war. Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Eindruck schwer erklären kann, aber das habe ich bei Micah doch deutlich gespürt. Bei Julian wiederum war das Problem ganz klar, dass über ihn ja ewig lange nicht viel preisgegeben wurde. Das war natürlich narratorisch begründet, um so das Geheimnis um ihn so lange wie möglich verdeckt zu halten, aber dadurch war Julian tatsächlich nicht zu packen und oftmals hat sich mir der Gedanke aufgedrängt, ja, was findet Micah denn jetzt an ihm, dass sie ihm sein mangelndes Vertrauen wieder und wieder verzeiht. Am Ende löst sich natürlich alles auf und alles ist sonnenklar, aber im Leseprozess hat sich das leider etwas zäh gestaltet.

Zäh ist auch das Stichwort für ein weiteres Thema, das mir in diesem Roman überdeutlich ins Auge gesprungen ist. Kneidl hat sich unheimlich viel Zeit für den Aufbau der Geschichte gelassen. Das ist nicht unbedingt schlecht, aber an dieser Stelle muss ich es kritisieren, weil das Unterbringen von 1000 Netflix-Serien und –Filmen und das Erwähnen von 5000 Superhelden und zig anderen Popkulturthemen irgendwann nur noch nervte. Ja, Kneidl ist up-to-date, ich habe ich es verstanden. Das klingt jetzt etwas verbittert, aber sorry, hier war es einfach zu viel. Bei „Berühre mich. Nicht“ hat das Verhältnis genau auf den Punkt gestimmt, hier wurde leider übertrieben und weil sich die Autorin so in diese Nebensächlichkeiten verstrickte, war das 1/3 auch an sich zäh.

ABER: Kneidl ist eine tolle Erzählerin, das bleibt. Denn irgendwann war der Sog da, der vordergründig eben auch von den zahlreichen Nebenfiguren getragen wurde. Ob nun eher Antagonisten oder Fanlieblinge für Folgebände, alle haben ein Profil erhalten und es war spannend die unterschiedlichen Figuren zu entdecken. Auch in der Handlung war irgendwann richtig Druck drin, weil man an verschiedenen Brandherden merkte, dass es nun richtig spannend wird und das hat dem Buch ab der Hälfte richtig, richtig gut getan! Ab da konnte ich mit dem Lesen kaum noch aufhören.

Thematisch will ich nicht zu viel verraten, da die überraschende Wendung doch einen wesentlichen Teil des Leseprozesses ausmacht, aber ich kann mich nur anschließen: ja, diese Thematik war wichtig! Zudem fand ich es wichtig, dass die Themen auch nicht mehr der Moralkeule angegangen wurden, denn Kneidl präsentiert alle Positionen. Natürlich zeigt sich, dass Kneidl die Meinung ihrer Protagonistin vertritt, aber dennoch präsentiert sie alle Sichtweisen und erzwingt auch keine Happy Ends, wo keine möglich sind. Deswegen ist die Geschichte für mich vor allem extrem realistisch und das ist ein Adjektiv, was mir nun wahrlich nicht immer bei NA in den Kopf kommt. Hier passt es aber wie die Faust aufs Auge!

Fazit: Wäre dieses erste Drittel, in dem doch ein paar Sachen narratorisch nicht funktionierten, nicht gewesen, dann hätten wir von Kneidl wieder die perfekte Lektüre gehabt. Aber auch trotz der kleinen Makel kann ich nur eine inständige Empfehlung für alle NA-Fans aussprechen, dieser Roman ist ein Must-Read!!!