Rezension

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True-Crime-Thriller oder Heldentum in schwarz auf weiß?

Zerschunden - Michael Tsokos, Andreas Gößling

Zerschunden
von Michael Tsokos Andreas Gößling

Bewertet mit 2.5 Sternen

Fakten vermischt mit Fiktion - klingt nach dem perfekten Thriller, biegt leider auf dem Weg dorthin ab.

Nach der Kooperation „Abgeschnitten“ mit Fitzek konnte ich es kaum erwarten, dieses Buch in die Finger zu bekommen. Ein Rechtsmediziner schreibt einen True-Crime-Thriller? Fakten vermischt mit Fiktion? Ohne jegliches Zögern stand ich an der Kasse. Das kann nur gut sein. Der Mann weiß, was er tut.

 

Umso verwirrter las ich Kapitel nach Kapitel und fragte mich, ob es an mir lag oder an ihm. Hatte ich zu viele Thriller gelesen? Oder ist Tsokos einfach über das Ziel hinausgeschossen?

 

Die vielversprechende Basis:

Jahrelange Erfahrungen eines Rechtsmediziners, der Fachliches wohl bekömmlich-informativ in die Handlung einstrickt und sich damit von der Masse des Marktes absetzt.

Eine Prise „das ist tatsächlich passiert!“-Psycho zum daheim Erschaudern.

Die Aussicht:

Ich fiebere nicht nur bei einem Thriller mit, ich bin danach schlauer als vorher. Herrlich!

 

Dann lernen wir ihn kennen, den Protagonisten Fred Abel. Wir lernen ihn wirklich kennen: inklusive Familiendrama, Trophy Wife und Fremdsprachenkenntnissen. Er mausert sich zum Helden, der sämtliches benötigtes Werkzeug zur für ihn schrankenlosen europaweiten Jagd auf einen Serienkiller beherrscht. Der Alleskönner und Allesmacher wird getrieben von seiner persönlichen moralischen Verpflichtung gegenüber einem ehemaligen Soldaten-Freund und dessen im Sterben liegenden Tochter. Fast ist das zu viel.

Aus „fast“ wird „ganz sicher“ durch Blockbuster-reife wie unrealistische Handlungsstränge, Cliffhanger und noch mehr persönliches Drama auf diversen Nebenschauplätzen. Nicht nur ist Fred an jedem Punkt selbstgefährdend mitten drin - sachliche Beschreibungen der Brutalität des Killers müssen scheinbar durch den Aufbau einer Beziehung zu ihm, seinem Innersten, seinen Selbstgesprächen ausgeglichen werden. Und das sehr repetitiv. Es geht so weit, dass mir nicht nur persönliches Mitfühlen, sondern auch kriminalistisches Mitdenken und moralisches Bewerten abgenommen werden. Nicht gut. Das Ganze endet mit einem konstruierten, unnötigen und bedrohlichen Cliffhanger, der erst in Teil drei der hier begonnenen Trilogie aufgelöst werden soll. Uff.

 

Vielleicht wäre ich milder gestimmt, hätten Tsokos und der Co-Author Andreas Gößling symbolisch wenigstens das überstrapazierte Klischee der attraktiven, baggernden Kollegin in der Trickkiste gelassen. Es muss ja nicht jede Zutat in einen Thriller.

 

Für mich liegt Tsokos Stärke eindeutig in Büchern wie „Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf“. Wie habe ich es verschlungen! Hier stimmte für mich alles, einfach alles. Es ist die wirkungsvolle Basis ohne viel Schnickschnack drumherum. Da pocht mein Thriller-Herz.

 

Ich bereue nicht, „Zerschunden“ gelesen zu haben. Dieses Buch hat seinen Reiz, beispielsweise habe ich mehr über Profiling erfahren (hochinteressant). 

Leider enttäuschte es meine durch „Abgeschnitten“ und „Die Klaviatur des Todes“ bedingten zugegebenermaßen himmelhohen und realitätsfernen Erwartungen.

Vielleicht sehen Fred Abel und ich uns am 01. April in „Zersetzt“ wieder. „Während einer mörderischen Verfolgungsjagd durch das transnistrische Grenzland muss er seine ganz besonderen Fähigkeiten einsetzen.“

Ich bin gespannt.