Rezension

Tannöd 2.0

Blutwinter - Markus Flexeder

Blutwinter
von Markus Flexeder

Bewertet mit 3 Sternen

1920, der Abend des 5. Dezembers. Jemand stapft durch den tiefen Schnee Richtung Wolfsham, einem kleinen Kaff in Oberbayern. Auch wenn es der Vorabend von Nikolaus ist, hat dieser Mann keine Geschenke dabei, im Gegenteil, er bringt Blut, Mord, Grausamkeit und Verderben.
85 Jahre später. Zwei Journalisten befragen die hochbetagte Maria in ihrem Pflegeheim. Sie wollen die ganze Wahrheit über diesen Fall wissen, und zu diesem Zweck lesen sie ihr zuerst die Zeugenaussagen überlebender Dörfler vor - unter anderem auch die der damals zehnjährigen Maria. Die Journalisten erhoffen sich einen Artikel, doch was Maria ihnen dann erzählt, übertrifft alle Erwartungen und löst nicht nur einen Fall aus längst vergangenen Zeiten, sondern gleich zwei.

Tiefer Winter, abgelegene Ortschaft, grausame Morde, Journalistenbefragung, Zeugenaussagen der Nachbarn im Dorf - kommt jemand bekannt vor? Rischtiiiiiisch. Klingt nicht nur vage nach Tannöd 2.0. Hat sogar recht viel Ähnlichkeit mit der Geschichte von A. M. Schenkel. Extrem auffällig zieht sich das bis ungefähr zur Hälfte des Buches, denn auch die Zeugenaussagen sind ähnlich aufgebaut. Erst als Maria dann selbst anfängt zu erzählen und die Journalisten selbst nach Wolfsham aufbrechen, bekommt die Geschichte einen eigenständigen Drall. Wer sich also solche Ähnlichkeiten erlaubt, muss sich gefallen lassen, dass er mit dem Original verglichen wird. Und hier wird auffällig, dass Schenkels Schreibweise origineller ist, ganz besonder bei den Zeugenaussagen, wo wirklich jeder seine eigene, erkennbare Stimme bekommt, wohingegen man bei Flexeder nur wenig Unterschiede im Stil der einzelnen Personen erkennen kann, und dass es bei Tannöd von Anfang an in die Geschichte hineinzieht, wohingegen der Blutwinter eher schwerfällig beginnt und auch schwerfällig endet. Auch dass gerade zum Schluss, wo man dann endlich richtig Interesse hat, noch seitenweise über die privaten Probleme eines der Journalisten lesen muss, die nichts mit dem Buch zu tun haben und auch wirklich irrelevant sind, ist kein cleverer Schachzug des Autors. So ist ein Buch herausgekommen, das zwar gar nicht schlecht ist, aber gut und gern bei der doch rechten guten Idee etwas mehr Originalität hätte vertragen können.