Rezension

Stimmungsvoller norwegischer Klassiker

Das Eis-Schloss - Tarjei Vesaas

Das Eis-Schloss
von Tarjei Vesaas

Bewertet mit 4 Sternen

Die 11-jährige Unn ist nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrer Tante in ein kleines, ländliches Dorf gezogen. Als Neue nimmt sie erst einmal eine Außenseiterstellung ein. Gerade als sie sich mit ihrer Klassenkameradin, der offenen und beliebten Siss angefreundet hat, verschwindet Unn plötzlich. Im eiskalten norwegischen Winter muss man bald mit dem Schlimmsten rechnen. Äußerst stimmungsvoll erzählt Vesaas in "Das Eis-Schloss" von dieser aufkeimenden Freundschaft, von Verlust und einem Versprechen, an dem Siss zu zerbrechen droht.

Der kurze Roman ist sehr stimmungsvoll und seltsam spannungsgeladen. Ich war beim lesen wie auf dem Sprung: Gleich passiert etwas, dachte ich ständig, gleich kommt etwas Großes! Aber die Geschichte bleibt ruhig. Die Spannung wird nicht gelöst, sorgt so aber für ein besonderes Leseerlebnis.

Gefallen hat mir auch der authentische Blick in den Kopf der jungen Mädchen. Gerade Siss' Konflikt ist gut dargestellt obwohl er selbst für sie schwer zu fassen ist. Die teilweise märchenhaften Bilder von Eis und Schnee im klirrend kalten Norwegischen Winter sind großartig gelungen. Das krachen des Sees, der Wasserfall, die Kammern des Eis-Schlosses, die Dunkelheit. Wunderbar! Alles hat einen fast magischen Touch, was durch Vesaas einfache, irgendwie uneindeutige, aber sehr effektive Sprache noch unterstützt wird. Siss' Angst, Freude, Trauer und Unsicherheit erlebt man sehr plastisch mit.

"Das Eis-Schloss" ist ein trauriger, irgendwie märchenhafter und sehr stimmungsvoller norwegischer Klassiker, auf dem man sich einlassen muss. Für mich auf jeden Fall ein besonderer Roman, der noch eine Zeit lang nachhallen wird.