Rezension

Spannend geht anders

Mann ohne Herz
von Camilla Grebe Åsa Träff

Bewertet mit 2 Sternen

Leider nicht überzeugend. Spannend am Anfang, flaut es schnell ab. Es ist eher eine Studie über Schwulsein und manche Beziehungsprobleme.

Der Roman ist aus zwei Perspektiven erzählt. Es gibt abwechselnd Abschnitte unter dem Titel „Siri“ in der Ich-Form und in Präsenz, und Abschnitte unter „Das traurige Herz“, die in der Vergangenheitsform und in der dritten Person verfasst worden sind.

Siri kommt als ein neues Mitglied in eine Gruppe der Profiler, die bei den Ermittlungen der grausamen Morde an schwulen Männern mitwirkt. Siri fährt meist mit einem Kollegen zu den Angehörigen der Opfer und redet mit ihnen. Bei den Sitzungen der Gruppe wird an einem Mörderprofil gefeilt. Zu Hause wartet auf Siri ihr Freund, ein Polizist, mit dem sie einen kleinen Sohn von vier Jahren hat. Außerdem hat Siri ein altes, ungelöstes Problem mit ihrer ehemals besten Freundin.

Part „Das traurige Herz“ erzählt die Geschichte eines jungen schwulen Mannes über Jahre hinweg. Es fängt im Jahr 1994 an und endet in der Gegenwart. Die zwei Stränge laufen zusammen und finden ein gemeinsames, blutiges Finale.

Themen wie Partnerschaft, Freundschaft, Vergebung, Einsamkeit, Liebe, Treue, Loyalität, Verletzlichkeit, Familie, Vereinbarkeit der Arbeit und Familie, sind u.a. in den Roman hineingeflossen.

Einige tiefschürfende Gedanken, wie z.B. zu den Vorzügen der Gartenarbeit S. 65, oder manche schon fast im Märchenstil verfasste Beschreibung S. 39 eines ehemaligen Partners von Siri erwarten den Leser am Anfang, manches zu Beziehungen, Partnerschaft.

Die Profilergruppe ist ein illustrer Haufen. Die Figuren sind interessant, sehr gut ausgearbeitet worden. Männer wie Frauen der Gruppe kamen sehr lebendig rüber.

Der Schreibstil ist recht angenehm, liest sich leicht und schnell weg.

Für richtige Definitionen, damit auch alle es richtig verstehen, ist bestens gesorgt. Z.B. was ein Hassverbrechen, Gefühl vs. Motiv bei der Beweisführung wären. S. 92.

Es ist gut spürbar, dass sich die Autorinnen eingehend mit den o.g. Themen und insb. mit dem Thema das Leben als schwuler Mann beschäftigt und ein tiefes Verständnis dafür entwickelt haben. Einige Schicksale, Einblicke in das Leben schwuler und bisexueller Männer werden im Rahmen der Ermittlungen vor Augen der Leser freigelegt, z.B. Eine Figur schildert seine Eindrücke, Gedanken, Erinnerungen an die Anfänge, wie seine Familie es aufgenommen hat, etc. S. 247. Auch Gedanken einer Mutter auf das Schwulsein ihres Sohnes zeigt es besonders deutlich. S. 295.

Der Fall an sich konnte mich aber leider nicht überzeugen. Er ist vielmehr eine Studie über Schwulsein und manche Beziehungsprobleme, ein spannender Thriller ist es für mich nicht.

Dinge, die zum Punkteabzug geführt haben:

Wenig glaubwürdig beim Hauptmotiv des Täters. Die aufsehenerregenden Morde sehen für mich eher nach Effekthascherei aus. Dieses Theatralische, wie man es zu Anfang am ersten Mord sieht, ist nicht in dem Charakter des Täters verankert.

Vieles blieb bei auf dem Niveau der Behauptungen. Wenig Stoff und Raum zur Bildung eigener Meinung gegeben, um eigenes Kopfkino zu starten. Man ist quasi gezwungen den narrativen Fertigbrei zu schlucken und zwar mehrmals, auf der gesamten Länge.

Insgesamt zu viel erklärt, besonders zum Schluss.

Der Stoff wird oft wiederholt. Und zwar mehrmals. Man dreht sich im Kreis.

Es liest sich zwar schnell, aber die Geschichte mitzuerleben, so richtig einzutauchen fiel mir schwer. Zu viel Narrativ, s.o.

Die Hauptfiguren blieben mir fern. Von Siri, der Haupterzählerin in ihrem Teil der Geschichte, fühlte ich mich nicht abgeholt, konnte mit ihr bis zum Schluss nicht warm werden.

Manch weniger gelungene Beschreibung und paar Tippfehler wie z.B. S. 160, 247 schmissen mich aus dem Lesefluss gelegentlich heraus.

Fazit: Der Fall konnte mich leider nicht überzeugen. Vielversprechend am Anfang, flaut es im Verlauf deutlich ab. Er ist vielmehr eine Studie über Schwulsein und manche Beziehungsprobleme. An sich ist es gut gearbeitet worden, aber als Thriller hat das Buch mich einfach nicht mitnehmen können. Spannend geht für mich anders.