Rezension

"Sorry ... we dared to dream"

Tanzende Araber - Sayed Kashua

Tanzende Araber
von Sayed Kashua

 

Selten geht die Thematik eines Buches so unter die Haut: Mit „Tanzende Araber“  hat  Sayed Kashua einen tief beeindruckenden Roman über die Entwicklung eines israelischen Jungen arabischer Herkunft verfasst.

Seine Kindheit verbringt dieser Junge in Tira, einem Dorf in der Nähe Jerusalems, das nur von arabischen Israelis bewohnt wird. Sie ist geprägt von seinem despotischen, politisch engagierten Vater und seiner sehr gläubigen, traditionsbewussten Großmutter, immer wieder sind Kriege und Verfolgungen Teil seines Alltags.

Da er ein begabter Schüler ist, bekommt er die Möglichkeit, ein jüdisches Elite-Internat in Jerusalem zu besuchen. Als einziger Araber hat er es dort allerdings nicht leicht. Er verliebt sich in seine jüdische Mitschülerin Noemi und beginnt eine Beziehung zu ihr. In dieser Zeit spürt der junge Mann schmerzhaft deutlich, dass es keine Gleichberechtigung der Bevölkerungsgruppen im gemeinsamen Staat Israel gibt, und erkennt, welchen Diskriminierungen die arabische Minderheit ausgesetzt ist.

Kashuas Schilderungen des Familien- und Schulalltags sind so empathisch und authentisch, dass der Leser sehr schnell erkennt: dieser Roman trägt eindeutig autobiografische Züge. Er erzählt eindringlich von seinen Bemühungen, sich der jüdischen Bevölkerung anzupassen, nicht aufzufallen, um als vollwertiger Bürger akzeptiert zu werden. Er fühlt den Druck, seinen Wurzeln und Traditionen verpflichtet zu sein; andererseits reift in ihm der Wunsch, sich von seiner Herkunft zu lösen und zu den Juden zu gehören: Er „tanzt auf zwei Hochzeiten“. Absolut ehrlich beschreibt er die Folgen seiner Desillusionierung: Selbstzweifel, Depressionen, Flucht in den Alkohol.

„I hope my stories make my readers think a little bit, because I also talk about how holy we make identity seem and look like …“ sagt Kashua, der sich unermüdlich in seinen Büchern und Zeitungskolumnen für eine Gleichberechtigung der Araber und Juden in Israel einsetzt, in einem Interview. Doch eine Gleichstellung bleibt vorerst ein Traum, wie der Autor selbst erst vor wenigen Wochen in Richtung Netanjahus kommentierte: „Sorry … we dared to dream.“

Immerhin ist ihm sein Vorhaben, den Lesern die Problematik der israelischen Politik in Erinnerung zu rufen, mit diesem Roman eindrucksvoll gelungen.

 

P.S.: Inzwischen ist er nach wiederholten Morddrohungen gegen ihn und seine Familie nach Illinois ausgewandert.