Rezension

Schlimme Dinge in berauschender Sprache

Zitronen -

Zitronen
von Valerie Fritsch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich würde die österreichische Schriftstellerin Valerie Fritsch als die Poetin unter ihren deutschsprachigen Kolleginnen und Kollegen bezeichnen, denn niemand anders kann so viel Schrecken in solch opulente, betörende Sprache verpacken, wie Fritsch.

Schon in ihrem Erstling „Winters Garten“ war das so, und folgerichtig wurde sie für den Deutschen Buchpreis nominiert, was ihr wahrscheinlich mit ihrem neuen Roman „Zitronen“ auch gelingen wird.

Das Wachsen und Gedeihen, und das Absterben und Vergehen ist Pflanzen und Menschen gleich. Von beidem erzählt Valerie Fritsch, und wahrscheinlich heißt der Roman auch deshalb „Zitronen“, obwohl sich einem der Titel nicht so ganz erschließt. August Drach wächst in einem österreichischen Dorf auf und erlebt dabei ein Martyrium. Erst wird das Kind vom Vater misshandelt, um danach, als der Erzeuger verschwunden ist, von der Mutter langsam vergiftet und des unbeschwerten Lebens beraubt, denn Lilly Drach leidet am Münchhausen- Stellvertreter- Syndrom. Diese tückische Krankheit lässt sie ihren Sohn krank machen, um ihm so Fürsorge und Aufmerksamkeit andienen zu können. Auch als August der Mutter endlich entrissen wird, gelingt es ihm nicht, ein erfülltes Leben aufzubauen. 

Unendliches Leid, nur kurz unterbrochen, von der Beschreibung eines fast sorgenfreien Sommers, ist dem Protagonisten August beschieden. Fritsch kleidet dieses Leid in eine wortgewaltige, poetische Sprache. Man möchte auf jeder Seite Sätze markieren, so berauschend und berührend ist diese Prosa. Der Roman fängt Stimmungen und Befindlichkeiten ein, geizt aber mit Inhalt. Gerne wäre ich tiefer in die Psychologie der Eltern eingedrungen, sehr gerne hätte ich die Geschichte aller Handelnden Personen in diesem Roman erfahren, aber es bleibt auf knapp unter 200 Seiten nur ein Stimmungsbild diverser verkorkster Menschen. 
Valerie Fritsch ist dennoch eine große Künstlerin und für die Zukunft wünsche ich mir von ihr einen epischen Roman!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. März 2024 um 23:36

Ich glaube nicht, dass sie den epischen Roman je bringen wird - das würde mich sehr überraschen - sie ist eher ein Kurze, nur hier funktioniert ihr prägnanter Stil.