Rezension

Nichts für schwache Nerven

Niemand wird dich hören & Seelenkalt (Nur bei uns!) -

Niemand wird dich hören & Seelenkalt (Nur bei uns!)
von Eva Gessner

Bewertet mit 4 Sternen

Der Sammelband beinhaltet zwei Krimis, die sich beide mit dem Missbrauch auseinandersetzen.
Im 1. Fall leidet die Staranwältin Anna unter Albträumen, die im Zusammenhang mit dem Selbstmord ihrer Schwester vor 20 Jahren stehen. Hauptkommissar Sanders wurde suspendiert, als er gegen Annas Vater , einen Baulöwe, ermittelt hat. Er beschattet Anna, weil er hofft ,durch sie Beweise für die Schuld ihres Vaters zu bekommen. Beide gehen eine Zweckbündnis ein und geraten in einen Sumpf aus kriminellen Machenschaften, die kaum zu ertragen sind.
So richtig einfühlen in den Krimi konnte ich mich nicht, weil ich Probleme hatte, mich mit den Hauptpersonen anzufreunden. Anna ist auf der Suche nach der Wahrheit hinter dem Selbstmord der Schwester und erfährt verstörende Wahrheiten über ihre Familie. Zudem betrügt sie ihr Mann. Sie muss sich fragen, was bisher in ihrem Leben echt war. Das war mir gelegentlich zu viel Nabelschau. Manche von Sanders Aktionen fand ich unrealistisch. Was man dem Krimi nicht absprechen kann, er ist dennoch spannend.
Im 2. Fall ermittelt Kriminalhauptkommissarin Franziska in ihrem 1. Fall als Chefin und muss zugleich verarbeiten, dass ihr Mann sie betrügt. Ein Steuerberater wird zusammengeschlagen und schwer verletzt. Eine Prostituierte wird tot aus dem Rhein gezogen, eine andere als vermisst gemeldet. Die Spuren führen ins Rotlichtmilieu und offenbaren die menschenverachtende Behandlung von Frauen. Gleichzeitig ist ein Vater auf der Suche nach seiner verschwundenen Tochter, die Opfer eines Loverboys wurde. 
Auch hier ist es erschreckend ,zu sehen, wie aus einem Fall von Körperverletzung ein Horrorszenarium wird. Die Ermittler müssen  tief im Dreck von Menschenhandel und Ausbeutung wühlen. Manche der Schilderungen , wie Frauen erniedrigt werden, war wirklich grausam und lassen Bilder im Kopf entstehen, die man schwer wieder los wird. Für mich war die Absicht der Autorin klar  erkennbar, Prostitution als das zu zeigen, was es ist und deshalb sollte sie in keiner zivilisierten Gesellschaft erlaubt sein. Was mich gestört hat, Frauen sind immer die hilflosen Opfer, die ausgebeutet, missbraucht und gedemütigt werden. Männer sind die skrupellosen Täter. Trotz der Grausamkeiten fand ich den Fall packend und emotional. Er hat mich mehr gefesselt und dabei besser unterhalten als der 1. Fall.
Die beiden Krimis sind für mich eindeutig aus weiblicher Sicht geschrieben. An einigen Stellen fand ich die Darstellung sehr einseitig. Die Krimis sind in einigen Teilen nichts für schwache Nerven, was mich nicht gestört hat, weil ich es als realistisch empfand. Männliche Leser stören sich vielleicht an der feministischen Sichtweise.