Rezension

Nichts für hartgesottene Krimi-Fans...

Die Madonna von Notre-Dame - Alexis Ragougneau

Die Madonna von Notre-Dame
von Alexis Ragougneau

Bewertet mit 4 Sternen

Wer bei diesem Buch einen actiongeladenen Krimi erwartet, wird enttäuscht sein, aber Freunde von Büchern mit viel Atmosphäre und interessanten Charakteren sind hier richtig.

Pater Kern ist Pfarrer in einer Gemeinde außerhalb von Paris und macht jedes Jahr im Sommer Urlaubsvertretung in Notre Dame. Er leidet seit seiner Kindheit an einer Krankheit, die ihm regelmäßig große Schmerzen bereitet und wodurch er kleinwüchsig ist. Er hatte einmal einen älteren Bruder, dessen Verlust ihm sehr nahe gegangen ist. Sein Tod scheint mit einem Gefängnisaufenthalt zu tun zu haben, weswegen Pater Kern sich auch um Gefängnisinsassen kümmert. Zu einem von ihnen, Djibril, hat er ein besonders enges Verhältnis entwickelt.

Am Morgen des 16. August fällt den Angestellten von Notre Dame eine ungewöhnliche Frau auf, die schon stundenlang in einer Bank sitzt. Sie ist sehr schön und trägt ein sehr kurzes weißes Kleid. Als eine andere Frau sich neben sie setzt, kippt sie aus der Bank, denn anscheinend ist sie schon mehrere Stunden tot. Commandant Landard und die Staatsanwältin Claire Kauffmann übernehmen den Fall. Sie finden heraus, dass die Frau schon am Tag zuvor bei der Prozession zu Maria Himmelfahrt gesehen wurde und dass es einen Zwischenfall gab. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden und die Polizei legt den Fall zu den Akten. Damit sind alle zufrieden, denn auch die Kathedrale hat wenig Interesse daran, den Fall weiter aufzubauschen und möchte zum Alltag zurückkehren. Nur Pater Kern und die Staatsanwältin sind der Meinung, dass das etwas voreilig war…

Neben Pater Kern gibt es noch viele interessante Charaktere: Commandant Landard, ein Chauvinist, wie er im Buche steht, der mit Schwächeren kurzen Prozess macht; Claire Kauffmann, die von den Geistern ihrer Vergangenheit eingeholt wird und an der die Zweifel an der Justiz zu nagen beginnen; der Clochard Kristof, der so viel verloren hat und trotzdem so viel gibt; Pater Kerns Freund Djibril im Gefängnis; die Dame mit den Mohnblumen, die von allen gemieden wird – über sie alle hätte ich gern mehr erfahren.

Dass der Autor diese Charaktere nicht noch weiter einbezogen und dem Leser mehr über sie erzählt hat, ist das Einzige, was mir an diesem Buch nicht gefallen hat. Das Buch ist relativ dünn, liest sich sehr schnell und mir hat sehr viel gefehlt. In den Charakteren und in der ganzen Geschichte steckt so viel mehr Potenzial! Ich weiß nicht, ob dies der Auftakt zu einer Reihe ist und der Autor zum Beispiel die Geschichte von Pater Kerns Bruder im nächsten Buch noch detailliert erzählen und Claire Kauffmann mehr einbeziehen will, aber selbst wenn es so ist, hat er den Inhalt zwischen den einzelnen Bänden leider schlecht aufgeteilt.

Es wäre trotzdem schön, noch mehr von Pater Kern zu lesen. Im Gegensatz zu den meisten anderen "geistlichen" Ermittlern in der Literatur hat er nichts von ihrem Scharfsinn, sondern wirkt eher tollpatschig, aber er hat etwas sehr Liebenswertes und Menschliches und versucht, das Gute in den Menschen zu sehen, was ihn sehr sympathisch macht.